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Olympia aktuell

Haushalts-Siebenkampf als neue Disziplin

Lauschen wir Gesprächen wie diesem: »Gestern habe ich sechs Stunden Fenster geputzt!« – »Und ich war zwölf Stunden einkaufen!« – »Ich habe vierundzwanzig Stunden lang gekocht!«, dann hören wir zweifellos Hausfrauen zu, die für die Meisterschaften im Haushaltssport trainieren.

Diese neue Disziplin ist noch nicht olympisch, aber der Internationale Verband der Haushaltssportlerinnen (IVHS) führt bereits Gespräche mit dem IOC. Da der Haushaltssport Spannung, Ästhetik und Sponsorengelder (PutzmittelherstellerInnen usw.) verspricht, stehen die Chancen für die Aufnahme ins olympische Programm gut.

Die ehrgeizigsten Athletinnen haben sich dem Haushalts-Siebenkampf verschrieben. »Königinnen der Hausarbeit« werden sie mit Recht genannt. Bei den deutschen Meisterschaften im schwäbischen Wäschebeuren wurde am Samstag der Siebenkampf erstmals als One-day-event ausgetragen. Die deutsche Hausfrauen-Elite, Athletinnen in Kittel und Pantoffeln, hatte zum Auftakt das Wäscheaufhängen an der 100 Meter-Leine zu bestreiten. Biegsame Leiber bückten sich, schnellten wieder hoch, fliegende Finger steckten Klammern an Slips und Unterhemden. Das fachkundige Publikum gab immer wieder Szenenapplaus. Das Wäscheaufhängen gilt als Spezialität der Technikerinnen unter den Athletinnen.

Die nächste Disziplin erforderte dagegen vor allem Kraft und Kondition. Ein Quattro-Windelkarton (ca. 6 kg) musste über Treppen in den vierten Stock getragen werden. Danach folgte der 5000 m-Hindernislauf mit vollgepacktem Kinderwagen durch einen Parcours aus hohen Bordsteinen, tiefem Sandboden, Schotterwegstrecken, engen Parklücken, schweren Ladentüren und Bussen mit unfreundlichen Fahrern. Um auch die mentale Belastbarkeit der Frauen zu testen, liegt im Kinderwagen ein Tonband mit Babygeschrei. Als vierter Wettbewerb stand der Sprint-Hindernislauf über unberechenbar herumliegendes Spielzeug auf dem Programm. Statt eines Staffelholzes tragen die Teilnehmerinnen dabei einen Topf heißer Suppe. Zum Glück gab es dieses Mal keine bedauerlichen Unfälle.

Der nächste Wettkampf stößt bei den Sportlerinnen immer wieder auf heftige Kritik, ist aber gleichwohl fester Bestandteil des Siebenkampfes. Innerhalb von zwei Stunden muss ein Drei-Gänge-Menü im Wert von 5 DM pro Person für eine Jury mäkeliger Teenager zubereitet werden. Ähnlich wie bei der Kür im Eiskunstlauf werden schwierige Gerichte – wenn sie gelingen – besonders hoch bewertet. Die Siegerin brillierte mit Käsestangen an Zitronen-Kräuter-Dip, Pizza Diabolo und Mousse au Chocolat. Die Jury aß das Menü restlos auf.

Die sechste Disziplin, das Fensterputzen ohne Netz und Seil, ist immer noch Publikumsmagnet, obwohl der Wettbewerb auf Drängen der Athletinnen vom zweiten in den ersten Stock verlegt wurde. Eine strenge Jury aus Schwiegermüttern begutachtet die geputzten Fenster und gibt bei schmutzigen Ecken oder Putzstreifen Strafsekunden.

Zum Abschluss des Siebenkampfes müssen die Sportlerinnen einen fünf-Kilo-Sack Müll sortieren. Hier heißt es beherzt zugreifen in halbleere Fischdosen, ältere Yoghurt-Becher, schimmeliges Obst, glitschige Papiertaschentücher und alles, was die VeranstalterInnen für noch menschenwürdig halten. Auf die Frage, wie sie ihren Ekel überwinde, antwortete eine Athletin locker: »Meine Kinder hatten schon mehrmals Magen-Darm-Grippe, danach graust‘s Ihnen vor nichts mehr!«

Am Rande der Veranstaltung kristallisierte sich heraus, dass zukünftig auch Männer bei den Haushaltssport-Wettbewerben zugelassen werden sollen. Strittig ist noch, ob die Männer in denselben Disziplinen antreten werden, oder ob es nur einen Wettbewerb im Mülleimerlauf geben wird. Sicher scheint jedenfalls: auch Männer werden bald Medaillen im Haushaltssport erringen.

Renate Arnemann

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