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MATHILDE

Susanne Mischke
Foto: privat

Was Sie schon immer über Susanne Mischke wissen wollten ...

Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?“ Das ist die Frage nach jeder Lesung, bei jedem Kennenlernen und ehrlich gesagt – ich kann sie nicht mehr hören!

Sicherlich war da ein schlummerndes Talent, das sich Bahn brach. Schon als Kind wollte ich Schriftstellerin werden. Aber ich wollte auch Tierärztin werden, Stewardess und Zirkusreiterin. Am Ende studierte ich Betriebswirtschaft und arbeitete in der Computerbranche.

Warum also Schriftstellerin? Warum begann ich mit dreißig Jahren einen Roman zu schreiben, ohne vorher auch nur eine einzige Zeile veröffentlicht zu haben? Warum hatte ich noch dazu das Glück, mit meinem Erstlingswerk bei einem renommierten Verlag Unterschlupf zu finden?

Wahrscheinlicher ist, dass das Schreiben zu mir gekommen ist. Der recht spontane Entschluss, meinen ersten Roman „Stadtluft“ zu beginnen, entstand in einer Lebensphase, in der eine gewisse Leer zu füllen war. Ich hatte zwei Jahre zuvor meinen Studienberuf aufgegeben, um für meinen Sohn zu sorgen. Vielleicht wäre dieses Buch und folgenden fünf nie geschrieben worden, wenn mein Zweijähriger nicht so ausgedehnte Mittagsschläfchen gehalten hätte, möglicherweise aber war der Entschluss zu schreiben gar nicht so spontan, wie es erscheinen mag: Eine Pflanze bemerkt man erst, wenn sie aus dem Boden spitzt, der Keim entwickelt sich lange vorher im Verborgenen.

Mein literarischer Durchbruch kam mit meinem dritten Roman „Mordskind“, einer Geschichte der Gattung Psychothriller, der im Jahr 1996 bei Piper erschien. Derzeit arbeitet die Ufa im Auftrag des ZDF an der Verfilmung des Stoffes.

Seitdem fällt es mir schwer, vom Verbrechen zu lassen. Im Gegenteil: im nachfolgenden Roman, „Die Eisheilige“, wird gleich serienweise gemordet, und das in einem gediegenen Darmstädter Viertel. Selbst beim eher komödiantisch angehauchten „Mondscheinliebhaber“ geht es nicht ganz ohne Leiche.

Der Papiermord ist meine Sucht und es wird immer schlimmer damit. Mein jüngstes Produkt, das im August in die Buchhandlungen kommen wird, trägt den Titel „Wer nicht hören will, muss fühlen“, und man kann sicher sein, dass es auch da nicht ohne Blutvergießen abgehen wird.

Manchmal werde ich gefragt, ob ich ein besonderes Verhältnis zum Tod habe. Verbirgt sich hinter meinen schwarzen Stories etwa eine Obsession? Zugegeben, ich mag Friedhöfe. Aber nur bei Tag! Und ein Job im Bestattungsinstitut wäre vermutlich nicht das Richtige für mich. Trotzdem gerät man als Krimiautorin schnell in den Verdacht: Kürzlich erkundigte sich ein streng blickende Dame nach dem Vorlesen der „Mordskind“- Szene „Kind erdrückt Hamster“, wie viele Hamster ich dafür gebraucht hätte. Tja, Recherche muss sein...

Natürlich sind meine Morde – auch die an Hamstern – lediglich Kopfgeburten. Die Ideen dazu entstehen im Gespräch mit den unterschiedlichsten Menschen, beim Reisen, bei der Hausarbeit (Bügeln fördert ungeahnte Mordgelüste zutage) oder während der täglichen Spaziergänge mit dem Hund durch den Odenwald.

Wieviel Persönliches steckt denn nun in meinen Büchern? Schwer zu sagen. Erlebtes, Gesehenes, Erhörtes, sei es noch so unbedeutend und lange her, taucht plötzlich an die Oberfläche und gewinnt an Gestalt, sofern es in den „Plot“ passt, an dem ich gerade feile. Ich denke, Gedächtnis und Unterbewusstsein eines jeden Menschen bilden eine reiche, übervolle Bibliothek, man muss nur das Passwort zur rechten Zeit finden und hervorkramen. Wobei das tatsächliche Erlebnis nur als Basis dient. Die Realität oder das, was man in Erinnerung dafür hält, durchläuft einen starken Übertreibungs- und Verfremdungsprozess, ehe es dem Leser präsentiert wird. Denn Romanhelden müssen viel „lebendiger“ sein als reale Personen. Das ganz normale Leben wäre als Roman viel zu langweilig.

Susanne Mischke

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