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Wie Frauen wohnen wollen

Praktisch, preiswert, preisgekrönt

Im Darmstädter Bürgerparkviertel stehen seit 1998 zwei grüne Häuser, die anerkannt frauenfreundlich gebaut sind. Sie sind das Ergebnis des Wettbewerbs "Frauengerechtes Bauen und Wohnen" aus dem Jahr 1995. Geplant von den Wettbewerbssiegern, dem Architektenbüro Peter Karle/Ramona Buxbaum, wurden sie von der Hegemag als Sozialwohnungen errichtet.
Dank des Wettbewerbs konnten die späteren MieterInnen beim Entwurf der Häuser ihre Wünsche einbringen.

 

Wieso frauengerecht?

Wie unterscheidet sich "frauengerechtes Wohnen" nun von der Wohnung für Otto Normalverbraucher? Wesentlich ist hier vor allem, dass die Beaufsichtigung von Kindern für die Eltern so einfach wie möglich gemacht wird. Das heißt, dass die Küche als Hauptarbeitsraum der Wohnung eine zentrale Stellung hat und auch etwa so groß ist wie die anderen Zimmer, nämlich 10 - 14 qm. Von der Küche aus können alle anderen Räume leicht eingesehen werden - außer bei den vier Maisonette-Wohnungen. Die Küchenfenster liegen alle auf der Gartenhofseite, so dass auch draußen spielende Kinder beaufsichtigt werden können.

In der Wohnung ist Platz für eine Waschmaschine vorgesehen. Wer kleine Kinder hat, weiß es zu schätzen, nicht in einen Waschkeller laufen zu müssen. Davon abgesehen, haben die beiden Häuser keinen Keller, sondern Abstellräume in den Wohnungen und auf dem Hof.

Eine Besonderheit dieser Anlage mit insgesamt elf Wohnungen ist der Gemeinschaftsraum, der den MieterInnen von der Hegemag kostenfrei zur Verfügung gestellt wurde.

Wegen der zunehmenden Zahl Alleinerziehender - gerade auch in Sozialwohnungen - sollte die Wohnanlage viel Gelegenheit zum Kontakt knüpfen und pflegen bieten, denn alleinerziehende Mütter oder Väter sind besonders auf gegenseitiges Helfen angewiesen. Die Möglichkeit zum kurzen oder längeren Gespräch unter Nachbarn nutzen natürlich auch Andere gern, insofern bedeutet der Aspekt "frauengerecht" manchmal nur "menschenfreundlich", denn die Bedürfnisse von Frauen unterscheiden sich nicht immer von denen der Männer.

Häuser zum Leben

Zum Sehen-und-Gesehen-werden trägt auch bei, dass die Wohnungseingänge auf der Gartenhofseite der Häuser liegen. Gemeinschaftlich genutzt werden auch Fahrrad- und Kinderwagenraum.

Beim Entwurf von Wohnungen muss sowohl das Bedürfnis nach Rückzug und Privatheit als auch das Bedürfnis nach Kommunikation beachtet werden. Im allgemeinen wurde bisher die Privatheit wichtiger genommen. In dieser Hinsicht ging der Entwurf der preisgekrönten Wohnanlage neue Wege, da hier ausdrücklich Wert auf Begegnungsmöglichkeiten gelegt wurde. Dadurch wir sicher auch eine gewisse Form der sozialen Kontrolle ausgeübt, aber der moderne Alltag in der Stadt hat gezeigt, dass gegenseitiges Beachten nichts Selbstverständliches mehr ist und durchaus gefördert werden sollte.

Architektur kann menschliches Miteinander fördern oder blockieren, das gilt sowohl für den Städtebau als auch für den Zuschnitt einer einzelnen Wohnung.

Variable Räume

Wer schon einige herkömmliche Wohnungen besichtigt hat, erkennt auch ohne Möblierung, welcher Raum das Wohnzimmer ist, nämlich der repräsentativste, schönste, größte Raum, der leider oft am wenigsten genutzt wird.

Das Architekturbüro Karle/Buxbaum hat daraus die Konsequenzen gezogen und für die frauengerechte Sozialwohnungsanlage untereinander gleichberechtigte, das heißt etwa gleich große Zimmer entworfen. In einigen Wohnungen ist es dafür möglich, durch eine große Schiebetür die Küche zur Wohnküche zu erweitern. Außerdem können vier Wohnungen durch einen sogenannten Schaltraum um ein Zimmer vergrößert bzw. verkleinert werden, natürlich nach Absprache. Falls sich die Familienverhältnisse ändern, können sich die Bewohner so eventuell ohne Umzug darauf einstellen.

Immer mit Unterschrift

Trotz des Etiketts "frauengerechtes Wohnen" kann frau in diesen Wohnungen auch Männer unterbringen. Frauen, die mit Partner einziehen, müssen den Mietvertrag jedoch auch unterschreiben! Nur wer im Vertrag steht, hat auf die Wohnung ein Recht. Zur Zeit sind die Wohnungen alle vermietet.

Ähnliche Projekte sind in Darmstadt seit diesem Wettbewerb nicht mehr verwirklicht worden. Es bleibt zu hoffen, dass die Erkenntnisse des Wettbewerbs nicht versickern und dass sich Bauwillige - private oder gemeinnützige - weiterhin Gedanken machen, wie preisgünstige, frauen-, männer- und kindgerechte Wohnungen aussehen sollten.

Renate Arnemann

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