Werden Sie auch eine
Margit Czenki / Hille Sagel
Als sich vor gut zehn Jahren einige Hamburger Filmemacherinnen und andere filminteressierte Frauen zusammenschlossen, um ein Filmarchiv zu gründen, in dem das Filmschaffen von Frauen im Zentrum steht, gab es in Deutschland nur wenige Institutionen, die einem solchen Projekt vergleichbar gewesen wären. Zwar konnte die (Nachkriegs-) Frauenbewegung schon auf eine 20jährige Geschichte zurückblicken, aber Organisationen oder Zusammenschlüsse, die die Filmproduktion von Frauen zu einem nicht unwesentlichen Teil Phänomen eben dieser Frauenbewegung gesammelt, unterstützt und gefördert hätten, gab es nur wenige.
1973 hatten die Filmemacherinnen Helke Sander und Claudia von Allemann das erste Frauenfilmfestival ins Leben gerufen, dem nach und nach europaweit andere folgten. In dieselbe Zeit (70er Jahre) fiel die Gründung der Zeitschrift »Frauen und Film« und des »Verbands der Filmarbeiterinnen« (1979), in dem sich in den verschiedensten Bereichen der Filmbranche tätige Frauen zusammenschlossen, um ihre Interessen zu vertreten und gegen die Diskriminierung von Frauen im Filmbereich anzukämpfen. Denn daß das im Bereich der Künste vergleichsweise teure und aufwendige Medium Film eine Männerdomäne war und ist und daß dementsprechend nur wenige Frauen die Mittel an die Hand bekamen, einen abendfüllenden Langfilm zu produzieren und diesen dann auch noch angemessen in die Kinos zu bringen, ist etwas, das ebenso leicht statistisch zu belegen wäre wie es (leider) beinahe selbstverständlich ist.
Trotzdem gab und gibt es zahlreiche Filme von Regisseurinnen. Das FilmArchivFrauen
–kurz: faf, so der Name des Hamburger Projekts – fing an, diese
Filme als Videokopie zu sammeln und zu katalogisieren. Vieles lief über
persönliche Kontakte; die Filmemacherinnen stellten Kopien fürs Archiv
zur Verfügung oder sagten Bescheid, wenn ihr Film im Fernsehen ausgestrahlt
wurde, damit er aufgezeichnet werden konnte. Trotz immer nur gelegentlich
erteilter öffentlicher Gelder schafften es die Frauen vom faf, nach
und nach nicht nur eine Sammlung von über 400 Filmen aufzubauen, sondern
zudem eine Bibliothek anzulegen und vor allem Veranstaltungen zu organisieren,
in denen Regisseurinnen ihre Filme im Kino präsentieren konnten oder
etwa damals noch weitgehend unbekannte lateinamerikanische Filmemacherinnen
einem deutschen Publikum in Filmreihen vorgestellt wurden.
Für das Archiv interessierten sich nicht nur Regisseurinnen, die sich
dort mit der Arbeit ihrer Kolleginnen auseinandersetzen konnten, sondern
es wurde ebenso von Festivalmacherinnen und filmwissenschaftlich Arbeitenden
frequentiert, die dort recherchierten und sichteten sowie überhapt von
am Film und/oder an der Frauenbewegung interessierten Frauen und Männern,
die sich dort Videos anschauten, Informationen holten und zu den Veranstaltungen
kamen.
So ging das ungefähr 8 Jahre lang, in denen sich das faf zu einer wichtigen Anlaufstelle entwickelte, und das ganze mit viel Willen, Spaß und fast immer unentgeltlicher Arbeit aufrechterhalten wurde. Doch da lag dann irgendwann der Knackpunkt beim Geld. Da sich die Stadt Hamburg nie zu einer, sei es noch so geringen, monatlichen Dauerförderung des Archivs durchringen konnte, stattdessen Gelder für unabhängige Kulturprojekte (besonders Frauenprojekte) mehr und mehr zusammenstrich, und Miete, Telefon, Videokassetten, Geräte und alles andere bekanntlich einiges an Geld kosten, waren die Kapazitäten und die Energien zur immer neuen Mittelbeschaffung irgendwann erschöpft. Das Archiv gab seine aktive Arbeit auf und begann einen langen Winterschlaf, in dem es in der Wohnung einer der faf-Gründerinnen überdauerte.
Heute tun sich neue Perspektiven auf. Margit Czenki, Filmemacherin
und faf-Mitglied, in deren Wohnung das Archiv zuletzt lagerte und über
die es immer noch beschränkt nutzbar war, entschloß sich, die Sammlung
unter neuen Umständen an den Ort zurückzubringen, an dem es ursprünglich
auch war: das Hamburger Filmhaus.
Sie überließ es der Obhut der dort inzwischen ansässigen Kurzfilmagentur,
die nach Absprachen einen Raum und Geräte zur Verfügung stellt, die
aus den Altbeständen des Hamburger Filmvereins stammen, eines sich inzwischen
in Liquidation befindlichen Zusammenschlusses unabhängiger Hamburger
Filmemacher, und die sich nach Leuten umgeschaut hat, die Lust haben,
das Archiv zu neuem Leben zu erwecken.
Die hat sie auch gefunden und so sind wir vor einigen Monaten in Kontakt
mit dem Projekt gekommen und haben uns dafür begeistert. Zwar wird auch
uns der steinige Weg der Mittelbeschaffung nicht erspart bleiben, sie
wird einen wichtigen Teil der ersten Arbeit ausmachen, da das Archiv
nach wie vor ohne Geld dasteht, doch ist durch die Zusammenarbeit mit
der Kurzfilmagentur eine bessere Ausgangslage geschaffen worden, als
die, in der die faf-Frauen vor einigen Jahren waren.
Doch nicht nur die infrastrukturellen Bedingungen haben sich (ein wenig) verändert. Ein Wechsel der Personen hat stattgefunden, der mit der Frage nach einer neuen inhaltlichen Orientierung einhergeht. Was wollen wir tun? Welche Schwerpunkte wollen wir setzen? Was hat sich verändert sowohl im feministischen Bereich bzw. der Frauenbewegung als auch im Filmbereich?
Heute, am Ende der 90er Jahre, scheint es schwieriger geworden zu sein,
Filme als »Frauenfilme« auszumachen bzw. deren Charakteristika zu
benennen. Viele der Filme des Stammarchivs haben von Inhalten, Ästhetik und
Produktionsweisen ähnliche Merkmale, es geht um feministische Diskurse, um
Selbstfindung, Emanzipation, Widerstand gegen patriarchale Strukturen. Und fast allen
Filmen ist eine innovative Sichtweise zu eigen, in der die Bemühung
um eigene Standpunkte zu erkennen ist: viel filmisches Experimentieren,
um gewohnte Sehweisen zu hinterfragen, was den inhaltlich zum Teil vergleichbaren
Filmen jeweils sehr unterschiedliche ästhetische Formen gibt.
Gleichwohl man die thematische Nähe der von Frauen in den 70er/80er
Jahren (in Deutschland) gemachten Filme unter der Genrebezeichnung
»Frauenfilm« zusammenfassen könnte (und zusammengefaßt hat), so different
ist letztlich die Herangehensweise, der Background, die visuelle Umsetzung der
einzelnen Regisseurinnen.
In der Möglichkeit zur differenzierten Auseinandersetzung mit dieser
Epoche weiblichen Filmschaffens und seiner Bedeutung für Frauen/Filmemacherinnen
heute, 10 bis 20 Jahre nach Entstehen der Filme liegt für uns das Motiv
zur Erhaltung dieses Schatzes an Material. Das nicht zuletzt auch deshalb,
weil eine Abwehr gegen etwas wie »Frauenfilm« aus der heutigen
Rezeptionslandschaft keineswegs verschwunden ist, eine Abwehr, die sich nur teilweise
auf eine vielleicht veraltete Ästhetik dieses »Genres« gründet, im
wesentlichen aber immer noch aus Ressentiments gegen explizit weibliche
Herangehensweisen oder feministische Perspektiven, gegen »Geschlecht« als
Politikum genährt ist.
(So ist immer noch in Rezensionen gerade zu solchen erfolgreichen Mainstream-Filmen
wie »Thelma und Louise« oder »Aimée und Jaguar« die Betonung
zu finden, dass es dort zwar um Frauen geht, diese aber keinesfalls
»Frauenfilme« seien – eine Aussage, die übrigens nichts damit zu
tun hat, dass die beide Filme von Männern gemacht wurden.)
So geht es uns zum einen darum, »diese Geschichtsschreibung der Frauenbewegung
in Bildern« wieder zugänglich zu machen. Indem wir die Sammeltätigkeit
wieder aufnehmen, könnte das Archiv aber nach und nach auch die Funktion
einer (durchaus subjektiven) Gegenwartsbestimmung übernehmen. Denn was
das heutige Feld weiblicher bzw. feministischer Filmproduktion (was
keineswegs deckungsgleich und jedes für sich zudem schwer zu bestimmen
ist) angeht, ist vor allem Unübersichtlichkeit und Unterschiedlichkeit
auszumachen. Sei es nun dadurch, dass – wie bei den oben erwähnten Beispielen
– wichtige Themen der Frauenbewegung inzwischen wie selbstverständlich
in die männliche Filmproduktion eingeflossen sind, sei es dadurch, daß
zahlreiche Regisseurinnen das Prädikat Frauenfilmerin oder auch Feministin
nicht für sich in Anspruch nehmen wollen oder sei es durch die feministischen
Debatten der letzten Jahre, in der nach und nach jede Selbstverständlichkeit
darüber, inwieweit »Frau-sein« überhaupt eine gemeinsame Erfahrungswelt
bezeichnet, von Frauen selbst unterlaufen und überaus kritisch hinterfragt
worden ist.
Mit all diesen Veränderungen und Neubestimmungen wird ein Frauen-Film-Archiv
sich ebenso auseinandersetzen bzw. sie vielleicht in den Filmen dokumentiert
finden, wie auch mit der weniger wichtig gewordenen Abgrenzung zwischen
Filmproduktion und Videoproduktion in Zeiten von Digitalkameras und
Computernachbearbeitung in (fast) jedem großen Spielfilm. Nicht zuletzt
um diesen Bruch mit alten Selbstverständlichkeiten auch nach außen deutlich
zu machen, hat das Archiv seinen Namen gewechselt: aus FilmArchivFrauen
wurde AV neu.
Wir haben viel vor: Neben dem Sammeln und Archivieren soll es wieder Filmreihen und Diskussionsveranstaltungen geben, auch eine Internetpräsenz ist angedacht. Bei unserer schwierigen Finanzierungsarbeit sind wir mehr denn je auf UnterstützerInnen und SympathisantInnen angewiesen. Als gemeinnütziger Verein können wir Spenden beziehen! Auch nichtmaterielle Unterstützung, Tips, Informationen sind gern gesehen.
Simone Sondermann / Beate Katz
Post an: FilmArchivFrauen e. V. faf, Filmhaus
Friedensallee 7, 22765 Hamburg
Infos unter: 04031 79 38 51 oder 040220 77 30
Spenden gehen auf das Konto der Hamburger Kulturbehörde:
KtoNr.: 101 600, Hamburgische Landesbank, BLZ: 200 500 00
Folgende Angaben sind nötig:
Spende für das Filmarchiv Frauen e.V. (noch unter dem alten Namen) Schlüsselnummer:
34019 und Absender