Werden Sie auch eine
Digitales Video ist die Filmkamera der Zukunft. Da sind die Kameras halb so groß wie früher, viel leichter und im Umgang flexibler. Es wird nicht mehr ein ganzes Team, Kameraträger, Lichtträger und so weiter benötigt. Gerade bei Dokumentarsachen wird dadurch der Zugang erleichtert. Das digitale Videoband wird in einen dafür geeigneten PC eingespielt und vollkommen am Computer verarbeitet. Am Ende kann ein Produkt nach Wunsch hergestellt werden: entweder wieder ein digitales Video oder ein VHS-Video oder es kann auch auf 16- oder 35-mm-Format gebracht und im Kino gezeigt werden. Das geht natürlich mit anderen Videobändern auch, aber das digitale Video verliert nichts an Qualität.
Frauenfilme sind »Filme, die die Situation der Frau in Gesellschaft und
Familie differenziert darstellen und kritisch betrachten, die Denkanstöße geben und
Alternativen, Filme die herkömmliches Rollenverhalten entlarven, Mechanismen
aufdecken und hinterfragen, die Ausstiegsvarianten aus der traditionellen
Frauenrolle aufzeigen. Filme, die auch über Lebens- und Arbeitsbedingungen von
Frauen in anderen Ländern informieren. Filme, die Spaß und Mut und Lust machen.
Solche Filme müssen demnach nicht unbedingt von Frauen gemacht sein.«
(Gudrun Ludas-Aden/Christel Strobel in »Der Frauenfilm«,
München,1985)
***
»Ob es einen Unterschied zwischen Filmen von Frauen und Frauenfilmen
gibt?
Frauenfilme sind Kunstwerke, die von Frauen gemacht wurden. Das ist für mich
Frauenfilm. Mein Film, an dem ich jetzt gerade arbeite, ist ein Film über Sikhs in
Indien, es geht also um eine ziemlich dominante Männergesellschaft, dennoch wird es
ein Frauenfilm werden, weil es meine Sichtweise ist.
Der Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Sichtweise ist eine alte
Diskussion. Die Frage interessiert mich: Was ist weibliche Sichtweise und wie zeigt
sie sich? Ist sie deutlich und für jede/n sichtbar? Ich habe diese Frage bis heute
nicht beantwortet. Ich weiß auch nicht, ob sie jemals zu beantworten ist.«
(Christine Löbbert)
In den 70er Jahren ist das erste regioale Kino in Berlin eingerichtet worden, aus dieser Zeit stammt die Idee, dass Kommunen eigene Kinos unterhalten sollen.
Zu den Aufgaben eines kommunalen Kinos gehört es, Filme zu zeigen,
die in Mainstreamkinos nicht gezeigt werden, sich um Genres zu kümmern,
die in kommerzielle Kinos nicht integriert sind, also beispielsweise
Dokumentarfilme, Kurz- und Experimentalfilme sowie Videos, deutsche
und europäische Filme ins Programm zu nehmen, Debutfilme, Nachwuchsfilme,
Filme des Südens und der dritten Welt.
Auch Filmgeschichte soll ihren festen Platz haben. Und durch die kommunalen
Kinos soll audiovisuelle Alphabetisierung stattfinden. Damit
ist gemeint, lernen anders zu schauen. Wir sind seit den letzten dreißig
Jahren an Hollywoodkino gewöhnt, an bestimmte Einstellungen, an bestimmte
Bilder, wir werden damit überfüllt. Ein Beispiel ist das Thema Gewalt.
Wir werden überschüttet mit Darstellungen von Gewalt jeder Art. Gewalt
wird bis ins Detail gezeigt, der eine haut dem andern eine rein, eine
Frau wird vergewaltigt und so weiter. Dadurch wird Gewalt gefördert.
Es gibt aber ganz andere Darstellungsmöglichkeiten von Gewalt, ich muss
das nicht platt ablaufen lassen. Ich brauche die Waffe und das Opfer
nicht zu sehen, und dennoch weiß ich beim Zuschauen, was jetzt stattgefunden
hat. Das Weglassen von Bildern wäre eine visuelle Alphabetisierung.
Und es ist ein Teil der Aufgabe, daß wir Filme, daß wir Bilder finden,
die uns zeigen, daß etwas auch anders dargestellt werden kann. Diese
einfache banale Hollywooddarstellung ist leider nicht ohne Einfluß auf
deutsches und europäisches Kino geblieben. Weitere Aufgaben Kommunaler
Kinos sind, medienpädagogische Dienste an Schulen zu leisten,
sozusagen eine Schule des Hörens und Sehens zu schaffen, Filme zu zeigen,
die in Zusammenhänge eingebettet sind, Filmreihen mit anderen kulturellen
Events, Kooperation mit anderen Initiativen in unserer Stadt oder im
Kontext mit politischem Zeitgeschehen zu realisieren. Die Sitting-Bull-Ausstellung
im Landesmuseum ist ein Beispiel. Wir haben eine Filmreihe mit mehr
als 20 Filmen zusammengestellt, haben uns somit intensiv mit Indianerfilmen
auseinandergesetzt.
Kommunales Kino sollte auch eine Servicefunktion für die Kommune
und ihre Einwohner haben: Kino in der Stadt für die Stadt. Wenn es eine
Gruppe gibt, die sagt, wir wollen uns gerne mit diesem oder jenem Thema
befassen, oder der Verein für jüdisch-christliche Zusammenarbeit einen
Wunsch hat, dann machen wir etwas zu diesen Themen. Nicht in der Art,
dass wir ständig den Holocaust wiederholen. Einmal hatten wir einen
Film von einer jungen Frau in Amerika, die Filmmaterial gefunden hat
auf dem Dachboden des Elternhauses und festgestellt hat, wie ihre Familie
aus Deutschland kam, und da hat diese junge Amerikanerin gesagt, jetzt
will ich diese Plätze besuchen, die ich da gesehen habe. So ist sie
auf der Suche nach ihrer eigenen Geschichte auf die deutsch-jüdische
Geschichte gestoßen. Das war ein sehr schöner Film.
Ja, und dann gehört zu den Aufgaben des Kommunalen Kinos, Gäste einzuladen
zu den Filmen, die wir zeigen: Filmschaffende, FilmemacherInnen,
FilmtechnikerInnen, RegisseurInnen oder Kameraleute, die etwas erzählen über ihre
Arbeit. Außerdem wäre wichtig, Vorträge und Einführungen zu halten
und Seminare, Diskussionen und Lesungen zu initiieren, Broschüren oder Kataloge
herauszugeben. Doch vieles können wir hier in Darmstadt aus Zeit- und
Geldgründen nicht leisten.
Eine andere Aufgabe wäre, für Reisen zu Filmfestivals Interesse
zu wecken und Reisen dorthin zu organisieren, nach Berlin, nach Hof,
nach Oberhausen, nach Amsterdam aufs Dokumentarfilmfestival oder wo
auch immer. Wir und auch der Bundesverband Kommunale Kinoarbeit sind
der Meinung, dass das Aufgabenfeld der kommunalen Kinos größer ist als
je zuvor, gerade in Zeiten des Mainstream, dass kommunales Kino eine
Alternative bieten soll und muß. Wenn wir das nicht tun, wenn die Kommunen
aus finanziellen Gründen kommunales Kino sterben lassen, dann wird es
diesen anderen Filmmarkt nicht mehr geben, bestimmte Filme werden dann
auch irgendwann nicht mehr produziert, weil die Nachfrage fehlt.
Dann sind wir wirklich nur noch ein Land voller Kinos des Mainstream
mit Filmen, die eben nicht unbedingt Kunst sind. Kunst ist einfach ein
Teil unserer Kultur, es gehört dazu, wir dürfen sie nicht wegsparen
weder aus den Schulen noch aus den Städten. Kunst ist ein Teil der Kultur
eines jeden Landes und erzählt ganz viel über die Geschichte. Der Film
ist eine sehr junge Kunstform, ist aber genau so wichtig wie die Malerei
oder die Bildhauerei. Auch sie gehört einfach hierher und kommunale
Kinos bieten kulturelle Vielfalt in den Monokulturlandschaften von Multiplexkinos.
Das ist unsere Arbeit für die Zukunft. Wir müssen wirklich eine Alternative
bieten. Daher ist es sehr wichtig, Projekte wie das Stadtkino weiterzuführen.
Seit 1œ Jahren gibt es in Darmstadt das Stadtkino mit einer Vorstellung pro Woche in Zusammenarbeit mit Firma Theile, dem kommerziellen Kinobetreiber unserer Stadt.
Wir hatten viele ausverkaufte Vorstellungen. Das ist gut, denn nur
so hat das Stadtkino auch in Zukunft eine Chance. Und es gibt eine gute
Zusammenarbeit und Programmabsprachen mit anderen Projekten oder Vereinen
in Darmstadt: mit dem AlleWeltKino, der deutsch-englischen Gesellschaft
und auch mit dem studentischen Filmdienst.
Wir haben auch eine Art Wunschfilmliste, die ist allerdings noch
nicht so groß. Wenn die Wünsche in die Themen passen, dann ist es auch
in Ordnung. Aber wenn es um Mainstreamgeschichten geht, die vor einiger
Zeit irgendwo gelaufen sind, können wir einen Film nicht nur deshalb
zeigen, weil jemand ihn schön fand, die Filme müssen schon in irgendeinem
Zusammenhang stehen. Wir sind kein Zweit- oder Dritt-Aufführungsplatz.
Wenn eine Person einen Wunsch hat, dann kann sie anrufen oder ein Briefchen
schreiben und uns sagen, was sie gerne sehen möchte.
Wir sind inzwischen so weit klar, daß die Stadt Darmstadt Kommunales
Kino auch für die Zukunft wünscht. Bisher hatten wir eine Vorstellung
pro Woche. Da wir so viele Vorstellungen ausverkauft waren, sind wir
der Meinung, dass wir das Programm erweitern sollten, zunächst auf mehrere
Vorstellungen in einer Woche. Unser Fernziel ist, zu einem eigenen
Filmkunsthaus zu kommen, das Kommunales Kino, Vereinskino,
Alleweltkino usw. beherbergt. Doch bis dahin wird es noch dauern.
Für das Jahr 2000 und 2001 besteht die Aussicht, daß unser Etat
erhöht wird auf ungefähr das Doppelte von dem, was wir z. Zt. haben,
und damit können wir unser Programm erweitern. Der Spielort ist noch
nicht klar, da sich kinointern viele Dinge ändern, aufgrund des Neubaus
des Cinemax-Center am Bahnhof. Davon ist auch die Firma Theile betroffen
und muss sich anpassen. Für uns kommt überhaupt nur das Festival, das
Pali oder der Vortragsraum hier im John F. Kennedy-Haus in Frage. Das
Pali hat 300 Plätze und wäre sicherlich das schönste Gebäude für ein
Kommunales Kino. Es ist ein einzelnes Gebäude und bietet alles, was
wir gerne hätten, z. B. 35- und 16-mm-Projektion. Das bietet neben dem
Festival kein anderes Kino mehr. Mainstream-Kinos haben das 16- mm-Format
nicht mehr. Das Pali wäre als Filmkunsthaus in unserer Stadt meine Idealvorstellung.
Ein Filmkunsthaus würde bedeuten, mit diesen anderen Vereinen gemeinsam
in dieses Haus zu gehen.
Das Stadtkino wäre ein Dach, ein Haus, in dem verschiedene
Interessen verwirklicht werden können, ähnlich einer Galerie oder auch ähnlich
dem Literaturhaus, wo verschiedene Veranstaltungen stattfinden können.
Doch mit den 300 Plätzen im Pali ist es ein bißchen schwierig. Im Festival
sind es etwa 100 und hier im John-F.-Kennedy-Haus maximal 120 Plätze.
Wir können keine 300 Plätze füllen, das ist unrealistisch, aber das
Pali wäre ein eigenes Haus.
Das Honorar, das wir bekommen, ist sehr gering, doch mir war
wichtig, nicht allein zu arbeiten, mir diese Arbeit zu teilen und zwar
mit einem Mann. Es kommt für mich auch nichts anderes in Frage, als
auf Honorarbasis zu arbeiten. Ich möchte auf gar keinen Fall Angestellte
der Stadt sein. Ich brauche Zeit für meine eigenen Projekte.
Aber ich würde gerne mehr machen, doch dafür reicht das Geld nicht,
z. B. Einführungen in Filme, Vorträge halten usw. Derzeit reicht das
Geld nicht einmal für einen Babysitter. Ich bin zu jung und nicht bereit,
hier ehrenamtlich zu arbeiten. Filmarbeit ist Kulturarbeit und
deshalb ist sie eine Aufgabe, die mit einer Honorierung verbunden sein
muß, das ist unsere Forderung an die Stadt, daß wir bezahlt werden.
Filmarbeit muß schon deshalb angemessen honoriert werden, weil ich denke,
und da komme ich wieder auf den Anfang zurück, dass Kunst und Kultur
und kulturelle Vielfalt einfach ganz wichtig sind, und dass sie ein
Teil unseres Erbes sind und das, was bleiben wird. Wenn wir uns mit
Geschichte befassen, schauen wir uns in den Museen die Kunst an oder
die Kultur, die Bilder, die Bildhauerei, Geschichten, Schriften, ja,
und in zwei-, drei-, vierhundert Jahren werden wir uns auch Filme anschauen.
Das ist einfach ein Teil der Kultur, die erhalten und weitergegeben
werden muß.
Das Gespräch mit Christine Löbbert wurde aufgezeichnet und gekürzt
von Herta Westerman und Margret W.-Simon