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MATHILDE

Schreiben als Obsession

Gabriele Wohmann

»die größte deutschsprachige Chronistin privaten Lebens.«

1932 in Darmstadt geboren, da aufgewachsen und nach einigen Ausflügen in Deutschlands Norden sowie mehreren Studienreisen und Stipendien im Ausland zurückgekehrt in den Ort ihrer ersten Inspirationen. »Es hat sich so ergeben«, höre ich Frau Wohmann sagen, während sie mir freundlich Kaffee eingießt und ich mich in ihrem Arbeitszimmer umsehe, das etwa 100 Quadratmeter mißt und gänzlich mit Antiquitäten und Büchern bestückt ist.

Mit den Eltern, der Vater Theologe, und ihren drei Geschwistern, einer ältere Schwester und zwei Brüdern, lebte Gabriele zunächst in Darmstadt. Die Kindheit fiel in die Nazizeit. In der Familie, die dem Geschehen kritisch gegenüber stand, fühlte sie sich geborgen. Sie empfand ihr Heim als »Haus und Hort der Geborgenheit, aber auch als Widerstandsnest.«

Den kritischen Blick für das Detail hat sie sich zeitlebens bewahrt. Plötzlich wurde Darmstadt zu eng, die Jugendliche wollte weg. Sie besuchte ein Internat auf der Nordseeinsel Langeroog und legte dort – extern – ihr Abitur ab. Immer von den Eltern unterstützt und ermutigt in ihrem Handeln, war es ihr sogar möglich, eine Klasse zu überspringen. In Frankfurt studierte Gabriele anschließend Musikwissenschaft, Deutsch, Englisch und Französisch, lernte ihren Mann kennen und heiratete ihn 1953.

Reiner Wohmann, Lehrer für Anglistik, und seine Frau zogen nach Langeroog, wo auch Frau Wohmann für kurze Zeit unterrichtete, um den gemeinsamen Lebensunterhalt zu bestreiten. Frei sein, unabhängig wollte sie sein und spricht von einer »vorfeministischen Zeit«. Eigentlich hat sie schon in früher Kindheit geschrieben, mit ihrer Schwester Phantasiefiguren erfunden. Nein, nicht erfunden, erhebt sie die Stimme – »kreiert!« Problemfiguren entstanden, die durch Wirrungen einem Happy End entgegen gingen. Dieser Zeitabschnitt war die »Vorfernsehzeit«.

Frau Wohmann schrieb weiter, und schon mit ihrer ersten Veröffentlichung »Ein unwiderstehlicher Mann« in der Literaturzeitschrift »Akzente« gelangte sie zu Ruhm und Ansehen: Gleich drei Literaturverlage waren interessiert, die Autorin weiter zu fördern und zu betreuen. Piper und Luchterhand in Deutschland und der Schweizer Otto F. Walter Verlag machten ihr Angebote.

Die Schriftstellerin blieb produktiv, das Ehepaar Wohmann kehrte zurück nach Darmstadt, wo es zunächst mit im Pfarrhaus der Eltern wohnte, bis der damalige Oberbürgermeister Heinz W. Sabais ihnen ein Häuschen auf der Rosenhöhe anbot. Herr Wohmann schied frühzeitig aus dem Schuldienst aus, um seine Frau zu unterstützen. Er arbeitete mit ihr, managte sie und wurde ihr Lektor. Diese Tätigkeit übt er immer noch aus.

Frau Wohmann hat bis heute circa 80 Bücher geschrieben. Gedichte, Hörspiele, Fernsehspiele, Kurzgeschichten und Romane hat sie verfaßt, in allen Literaturkategorien kennt sie sich aus. Viele Auszeichnungen hat sie dafür bekommen. Sie gehörte der Gruppe 47 an, lebte in der Villa Massimo und erhielt unter anderem das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, den Bremer Literaturpreis, den Konrad Adenauer Preis, den Stadtschreiber-Literaturpreis Mainz, den Montblanc Literaturpreis sowie den hessischen Literaturpreis. Trotz all dieser hochgradigen Ehrungen bedeutet ihr die Anerkennung in ihrem unmittelbaren Umfeld am meisten.

Eine direkte Zielgruppe hat sie nicht. Sie will nicht nur schreiben, sie muß schreiben, sie spricht von einer Obsession, die in ihrem inneren Wesen sitzt: »Es geht mir besser, wenn ich schreibe!«

So ist und bleibt Gabriele Wohmann ständig produktiv. Ihr Lesestoff setzt sich zusammen aus Dialogfetzen, die sie aufschnappt, Alltagsereignissen, die sie ausbaut, Beobachtungen, die sie verarbeitet. Immer wiederkehrendes Thema ist der Mensch mit seinen vielschichtigen Problemen und deren individueller Bewältigung. Kompromisse werden gefordert, immer wieder ist es das Aufeinanderprallen zweier Menschen, die Komik des Scheiterns, das Frau Wohmann für ihre LeserInnen heraushebt. Sie will keine tränenschwülstige Posa schreiben, sie will unterhalten. Die Autorin möchte das Interesse der LeserInnen wecken und zum Nachdenken anregen. So hat sie auch schon des öfteren als Lebensberaterin fungiert.

Frau Wohmann denkt aber nicht ausschließlich an das Leben, sie befasst sich oft mit Gedanken an den Tod und die Vergänglichkeit des Lebens. Während unser Gepräch bislang mit Literatur- und Bibelzitaten bereichert war, höre ich nun: »Herr, lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen.« Aber es liegt keine Traurigkeit in diesem Zitat. Sie fügt noch hinzu: »Ich denke jeden Tag an den Tod, um richtig zu leben.« Wie, das behält Gabriele Wohmann natürlich für sich, aber wach sein, kritisch und selbstkritisch sein, sind ihre Maxime, die sie auch ihren LeserInnen empfiehlt. Ideen für neue Literatur hat die Autorin noch viele, das nächste Projekt ist ein Erzählband mit dem Titel »Schwestern«, der rechtzeitig zur Buchmesse im Oktober erscheinen wird.

bedankt sich für das aufschlußreiche Interview und wünscht der Schriftstellerin Gabriele Wohmann noch eine lange, erfolgreiche Schaffenszeit.

Gerty Mohr

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