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Patriarchat und Kapital

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Haben Sie heute schon ihre Tomaten abgewogen?

Bereits in der Frühzeit unserer Ge- schichte gab es eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Frauen waren für das Sammeln von Nahrungsmitteln und später für den Ackerbau zuständig. Sie erlebten sich, laut Maria Mies, als produktiv im Einklang mit der Natur. Mit ihrem Körper konnten sie Menschen produzieren und ernähren. Diese Aufgabe war nicht naturgegeben, sondern produktive Arbeit.

Der Mann hingegen war für die Jagd zuständig. Diese Tätigkeit war weniger produktiv als destruktiv. Mit seinen Werkzeugen für die Jagd war er in der Lage zu töten. Er konnte andere Menschen unterdrücken und ausbeuten. Der Mann gelangte durch seine Waffen zur Herrschaft.

Die permanente Unterwerfung der Frau fand erst unter den kriegerischen Hirtennomaden statt, die von der Bewirtschaftung von Vieh und vom Einfall in fremde Gebiete lebten. Durch die Tierzucht erkannte der Mann seine eigenen reproduktive Funktion. Für die Hirten waren Frauen als Produzentinnen von Söhnen interessant, so dass es von Vorteil war, Frauen durch Zwangsbewirtschaftung auszubeuten.

Die räuberische patriarchalische Arbeitsteilung stützt sich auf die Trennung und Unterordnung von menschlichen Wesen. Zum einen, die eigenen Frauen in der jeweiligen Gesellschaft und zum anderen die fremden Völker. Im modernen westlichen Patriarchat ist diese Trennung auf Mensch und Natur ausgedehnt worden.

Durch systematische Verfolgung und Hexenverbrennung wurde mit Beginn der Neuzeit den Frauen ihr Wissen über die Natur genommen. Der Mann eignete sich die Natur durch Technik an. Gleichzeitig beutete er die Menschen in den Kolonien aus. Die Ausbeutung der Kolonien brachte den oberen Schichten Luxus. Frauen waren Repräsentantinnen und Konsumentinnen von Luxus und Reichtum. Sie brauchten keiner Lohnarbeit nachzugehen. Es war ihnen möglich, sich nur um ihren Haushalt zu kümmern. Dieses Bild der idealen Familie wurde besonders vom aufkommenden Bürgertum vertreten. Die Frau blieb zu Hause und versorgte die Familie. Dieses Idealbild wurde auch vom Proletariat angestrebt. In ihren Forderungen nach mehr Lohn ist enthalten, dass der Mann seine Familie ernähren muss. Die Frau wurde zur Hausfrau und schuf dem Mann sein gemütliches Heim. Die Familie war die Kolonie des kleinen weißen Mannes. Im 19. und 20. Jahrhundert wurde die Hausfrau auch als die Konsumentin entdeckt. Es wurden Geräte für den Haushalt entwickelt, zur Gesunderhaltung Lebensmittel aller Art importiert oder zum Teil neu entwickelt, außerdem Sauberkeit mittels chemischer Mittel propagiert.

Gleichzeitig entdeckte das internationale Kapital die »Drittwelt«- Frauen. Fabriken für Textilproduktion, Elektrogeräte inklusive Computer werden in den »Dritte-Welt«-Ländern gebaut . In ihnen arbeiten zu 80% Frauen.

Frauen werden bevorzugt für diese Arbeit verwendet, weil sie nicht als Arbeiterinnen definiert werden, sondern als Hausfrauen. Der Lohn ist geringer, weil ihre Arbeit nicht als existenzsichernd, sondern als »nettes Zubrot« gesehen wird. Außerdem sind Hausfrauen nicht organisiert, sie haben keine eigene Lobby und damit auch keine Macht. Personalchefs stellen bevorzugt Frauen ein, weil sie besser zu lenken sind und leichter zu kontrollieren.

Durch diese Sichtweise werden zwei Sorten von Frauen unterschieden, die guten und die schlechten.
Die schlechten Frauen in der »Ersten Welt«, hier bei uns, sind Frauen, die einer Lohnarbeit nachgehen, keine Kinder bekommen und wenig konsumieren. In der Dritten Welt sind dies die Frauen, die keiner Lohnarbeit nachgehen, viele Kinder bekommen und damit zur Überbevölkerung beitragen.
Die guten Frauen hingegen sind hier Mütter und Konsumentinnen und dort fleißige Arbeiterinnen ohne eigene Bedürfnisse.
In den »Erste-Welt-Ländern« wird immer mehr Lohnarbeit von nicht- lohnarbeitenden Hausfrauen verrichtet. Um zum Beispiel Personal im Supermarkt einzusparen, müssen wir unser Gemüse selber abwiegen. Gleichzeitig unterstützen wir durch unseren Konsum von möglichst billigen Waren die Ausbeutung der Frauen in der »Dritten Welt«. Wir sind also gleichzeitig Opfer und Täterinnen.

Maria Mies hat sich einen Weg überlegt, der uns aus dieser Situation herausführen soll. Sie entwickelt hierzu eine öko-feministische Gesellschaft, nach der die Befreiung der Frau nicht ohne die Befreiung der Kolonien und der Natur möglich ist. Neben den Forderungen, die auf den Seiten 4 und 5 dargestellt sind, ist es ihr wichtig, dass Mittelklasse-Frauen in der feministischen Arbeit tätig werden. Sie sollten ihre Situation nicht idealisieren und die Schattenseiten ihres Daseins publik werden lassen. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass der Konsum nicht nur dazu dient, konkrete Bedürfnisse zu decken, sondern die innere Leere zu kompensieren. Die angebliche Freiheit, alles kaufen zu können, beinhaltet gleichzeitig die Abhängigkeit von ihrem Ernährer oder bei modernen Karrierefrauen von einem Chef. Durch die Darstellung der Verhältnisse können sie nicht mehr idealisiert werden. Frauen aus unteren Schichten, sowohl in der »Ersten«- als auch in der »Dritten-Welt«, können ihre eigenen Wege gehen und sich von dem Idealbild als Hausfrau befreien.

Fragen und Anmerkungen zur öko-feministischen Utopie der Maria Mies

Warum sollten Frauen ein besseres Verhältnis zur Natur haben als Männer? Frauen auf Grund ihrer Gebärfähigkeit zu unterstellen, dass sie ein schützendes Verhältnis zur Natur haben und sie nicht ausbeuten, ist ein sehr einseitiges Bild von Frauen. Diese Darstellung reduziert sie auf genau die patriarchale Sicht, die Maria Mies in ihrem Buch kritisiert. Von ihr wird sie nur positiv dargestellt. Neueste feministische Forschung zum Beispiel von Regine Gildemeister und Angelika Wetterer versuchen die zweigeschlechtliche Sichtweise der Menschen aufzuheben und damit auch die Sichtweise: »Das kann Frau besser und das kann Mann besser«. Warum sollte gerade durch Subsistenzwirtschaft die Gleichberechtigung der Menschen erreicht werden?

In Kommunen, die sich autark versorgen, bilden sich ebenfalls hierarchische Strukturen aus. Diese Wirtschaftsform muss also nicht gleichbedeutend mit Gleichberechtigung sein.
Menschen sind nicht gleich, sie haben unterschiedliche Fähigkeiten und Neigungen, unabhängig vom Geschlecht. Muss ich also unbedingt auf dem Acker stehen, um die Gleichberechtigung der Menschen zu erreichen?

Herta Westerman

Literatur:
Maria Mies, Patriachat und Kapital - Frauen in der internationalen Arbeitsteilung
fünfte Auflage, Zürich 1996, Rotpunktverlag

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