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Birgitta Bischoff:

eine Frau stellt sich zur OberbürgermeisterIn-Wahl

Sie malt, sie hört zur Entspannung Jazz-Musik, sie denkt europäisch und sie ist die einzige Frau, die sich am 17. Januar als Kandidatin für den OberbürgermeisterIn-Posten in Darmstadt zur Wahl stellt: Birgitta Bischoff von der Liste Europa (LEU). traf sie, eine engagierte, freundliche und offene Persönlichkeit, die ausstrahlt, dass ihr Politik fast genauso viel Spaß macht wie ihr Leben. Geboren in einer Stadt in Värmland/Schweden kam sie nach dem Abitur und zwei Jahren Studium der Literaturgeschichte nach Heidelberg, um ein Jahr lang die deutsche Sprache zu erlernen. Sie ging nicht zurück nach Schweden, sondern gründete in Deutschland eine Familie (ein Sohn). Nach mehreren Ortswechseln landete sie schließlich 1980 in Darmstadt. Politisch interessiert war sie seit frühster Kindheit, doch erst seit dem Maastrichter Vertrag 1992 hat sie als in Deutschland lebende Schwedin die Möglichkeit, aktiv in der Politik mitzumischen.

Birgitta, unsere erste Frage betrifft Deine politische Laufbahn. Warum bist Du Politikerin geworden? Und konkret bezogen auf die OB-Wahl: Warum kandidierst Du, was sind dabei Deine politischen, was die persönlichen Motive?

Ich bin mit Politik aufgewachsen. Meine Eltern waren beide in der Kommunalpolitik aktiv tätig, es besteht eine politische Kontinuität in meiner Familie seit vier Generationen. Dass ich in den vielen Jahren, in denen ich in Deutschland lebe, immer ein politisch bewusster Mensch war, jedoch nur mitreden, nicht aber mitgestalten oder mitwählen durfte, war sehr schwer. Aber seit Maastricht 1992 hat sich das glücklicherweise geändert. In Deutschland lebende Menschen anderer Nationalität aus der EU haben auf kommunaler Ebene aktives und passives Wahlrecht bekommen.
Ich schloss mich der Liste Europa an, weil ich mich bundespolitisch in keiner der anderen Parteien zu Hause fühlte. Alle boten nur feste Programme, bei der LEU war eine eigene Mitgestaltung möglich. Bei der Kommunalwahl im März 1997 stand ich bei der LEU auf dem 3. Platz, ich wurde als Pressesprecherin und in den Vorstand gewählt und bin nun OB-Kandidatin.
In meiner OB-Kandidatur sehe ich vor allem eine Signalwirkung, die erstens darin liegt, dass es vier männliche und eine weibliche VertreterIn gibt und zweitens darin, dass eine Europäerin in Darmstadt von EuropäerInnen gewählt werden möchte.
Meine politische Arbeit ist fast ein Ganztagsjob: viel lesen, viele Kontakte knüpfen, Pressearbeit. Aber genau durch diese Arbeit habe ich Darmstadt wesentlich besser kennengelernt, und sie wurde immer mehr »meine Stadt«. Ich wohne gerne in Darmstadt und möchte auch hier bleiben. Aber meine Erfahrung als Frau und als Schwedin war zunächst, als ich hierherkam, eine kalte Dusche: Die Möglichkeiten beispielsweise für Frauen im Berufsleben waren und sind alles andere als zufriedenstellend. Und deshalb möchte ich anderen Frauen Mut machen, dass es auch anders geht und nicht so bleiben darf, wie es ist. Ein weiterer Grund für mich ist meine Vision von einem »europäischen Haus«, deren Verwirklichung auf kommunaler Ebene anfängt.
Meine persönlichen Motive sind: Ich will etwas verändern, ich will Signale setzen, ich will etwas tun. Mein Motor dabei ist Idealismus. Unterstützt werde ich natürlich von meinem Mann und meinem Sohn, was für mich ganz wichtig ist, denn ohne familiären Rückhalt kannst du diese Arbeit nicht leisten.

Welche politischen Ziele und Aufgaben sind Dir besonders wichtig, sagen wir, wenn Du eine Rangliste anlegen müsstest, die ersten drei Punkte darauf?

Ich möchte keine Rangliste machen. Ich habe meine Ziele und Aufgaben visuell aufgebaut: Ich habe ein Haus gebaut, in dem das gemeinsame Europa wohnt. Für Darmstadt habe ich vier Eckpfeiler: 1. Frauen, 2. Kultur, 3. Akteneinsichtsrecht und 4. einen Generalverkehrsplan. Akteneinsichtsrecht bedeutet die freie Einsicht in behördliche Dokumente, die in Schweden eine 400-jährige Tradition hat. In Darmstadt bedeutet Offenheit: Tag der offenen Tür beim Oberbürgermeister mit Kaffee und Kuchen und Ansicht des Dienstzimmers. Ich will jedoch, dass die BürgerInnen freie Einsicht in die Entscheidungen bekommen. Eigentlich ist das Thema Akteneinsicht Landessache (Brandenburg ist z.B. das erste Land, das das Akteneinsichtsrecht eingeführt hat), aber durch meine Forderungen und das Interesse der Medien habe ich bereits ein kleines Ziel erreicht: Im Internet werden die Magistratsvorlagen nun allen Interessierten zugängig gemacht.
Meine Forderung nach einem Generalverkehrsplan ist in Darmstadt ganz besonders wichtig. Hier werden Straße und Wege gebaut, Bahnlinien verlegt, ohne dass es ein Gesamtkonzept gibt. Entsprechend chaotisch ist die Verkehrslage. Da würde ich ganz gerne etwas ändern.

Was willst Du ganz speziell für die Frauen in Darmstadt bewirken? Wir denken da an Schlagworte, wie z.B. Kinderbetreuung oder frauengerechtes Wohnen.

Ich möchte eine Koordinationsstätte, wie z.B. das Darmstädter Frauenforum zur Bündelung aller Frauenkräfte schaffen, um die Kommunikation der einzelnen Gruppierungen und Aktivitäten untereinander zu verbessern.
Ich möchte, dass das Time-Sharing Konzept der Darmstädterin Eva Orth auf die städtischen Kindergärten übertragen wird. Eva Orth hat selbst einen Hort in der Emilstraße 26 gegründet, bei dem es flexible Kinderbetreuungszeiten von 7 bis 19 Uhr gibt, und in dem Kinder zwischen achtzehn Monaten und zwölf Jahren aufgenommen werden. Außerdem wird in jeder Altersgruppe ein behindertes Kind aufgenommen.
Ich würde in alle Arbeiten das frauenpolitische Leitbild der Frauenkommission der Stadt Darmstadt in bezug auf Kultur, Verkehr, Städteplanung oder Soziales miteinbeziehen. Wichtig ist mir dabei vor allem, dass diese Ideen in die Köpfe der Menschen kommen.

Was hast Du Deinen Gegenkandidaten voraus?

Ich bin eine Frau. Ich denke europäisch und nicht provinziell. Ich bin überparteilich und kann damit besser Brücken bauen.

Du bist nicht nur in der LEU, sondern auch im Frauenforum oder Sefo aktiv. Wo siehst Du die besten Möglichkeiten für Frauen etwas zu bewirken, bzw. wo denkst Du, muss angesetzt werden, dass die Belange von Frauen weiter vorangetrieben werden können?

Ich sehe die besten Möglichkeiten für Veränderung in der Politik, aber auch ganz stark durch die Medien. Damit spreche ich alle Journalistinnen an, sich nicht so stark in die männlichen Machtpositionen einbinden zu lassen.
Um etwas wirklich in den Köpfen zu verändern, müssen auf lange Sicht die Erziehungsprogramme in Kindergärten und Schulen verändert werden. Das bedeutet natürlich ein Umdenken in der Erziehungspolitik und konzeptionelle Veränderung. Ich beschäftige mich z.B. gerade mit einem interessanten Kindergartenkonzept aus Schweden, bei dem Integration ausländischer Kinder und ihrer Kultur ganz stark im Vordergrund steht.

Birgitta Bischoff, vielen Dank für das anregende Gespräch. Wir wünschen Dir für den Wahlkampf viel Kraft, und viel Erfolg bei der Wahl am 17. Januar.

Gabriele Merziger

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