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Abbildung aus dem besprochenen Buch

 

 

Buchbesprechung

Was nützt die Schusterin dem Schmied?

Adrian Beier war es, der 1688 in Jena die Schrift »De jure prohigendi quod competit opificibus et in opifeces. Von der Zünfte Zwang« verfasste und darin meinte: »Ein Mädchen sei zum Heiraten bestimmt, und man könne nicht im voraus wissen, wer sie einmal heiraten werde; eine Schusterin nütze dem Schmied nichts, und von einem ,ungewanderten’ Gesellen und einer ,gewanderten’ Jungfer halte man gleich viel oder gleich wenig.« Mit diesen Normen, die Beier niedergeschrieben hatte und die seit dem 16. Jahrhundert den allgemeingültigen Normen entsprachen, wurden die Handlungsräume für Männer und Frauen definiert und voneinander abgegrenzt, und sie beinhalteten das Konstrukt männlicher beziehungsweise weiblicher Ehre. Katharina Simon-Muscheid gab den Sammelband heraus, der 1992 in einem Workshop des Ludwig Boltzmann-Institues für Historische Sozialwissenschaft zum Thema »Frauen, Frauenarbeit und Handwerk« entstanden ist. In ihrem eigenen Beitrag versucht sie den Begriff und die Bedeutung der Ehre für den Mann, die Frau und die Zunft herauszufinden und zu beschreiben.

Weibliche Ehre definierte sich über Jungfräulichkeit und eheliche Treue. Der Ehrenkodex für die Männer – wen wundert’s? – war ein anderer. Doch auch er hatte keine Wahl, er hatte sich ihm unterzuordnen. Eine entehrte Frau hat immer auch ihren Gatten entehrt und wenn dieser sich nicht von ihr distanzierte, musste er aus seiner Zunft entfernt werden, weil sonst die Ehre der Zunft Schaden genommen hätte, die Ehrbarkeit des Handwerks als solches stand auf dem Spiel.

Die Auseinandersetzung mit dem Thema erscheint der Herausgeberin des kleinen Sammelbandes notwendig, weil die Handwerksideologie allzuoft ungebrochen in moderne Darstellungen und Auffassungen übernommen wird.

Neun Historikerinnen aus dem deutschsprachigen Raum, aus Skandinavien, den USA und Ungarn kommen zu Wort. Das Buch eröffnet eine neue und zugleich kontroverse Sicht auf Frauenarbeit im Handwerk vom Spätmittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Es wird eine Brücke geschlagen zwischen Handwerksgeschichte und Geschlechtergeschichte. Die Beiträge sind sorgfältig zusammengestellt. Allerdings ist die Lektüre eher harte Arbeit. Der Inhalt hätte sicher vergnüglicher dargestellt und durch Illustration aufgelockert werden können.

Doch wenn der Inhalt interessiert, ist der kleine Sammelband wohl eine Fundgrube, und die Leserin kann mit dem klar und sachlich dargebotenen Text durchaus auf ihre Kosten kommen.

Margret W.-Simon

MWS Katharina Simon-Muscheid (Hg.), »Was nützt die Schusterin dem Schmied?« – Frauen und Handwerk vor der Industrialisierung, Frankfurt/ Main; New York, 1998, Campus Verlag,

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