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MATHILDE

Mathilde von Gottes Gnaden

Namensverwandte in Italien

Auf einer Reise entlang der Via Emilia in Italien wurde ich bei der Besichtigung der Stadt Reggio auf Mathilde aufmerksam. Riesige Banner über der Einkaufsstraße von Reggio wiesen auf ein Mathilde-Fest am 31.Mai hin. Dies machte mich neugierig; um welche Mathilde mochte es sich dabei handeln? Im Reiseführer wurde ich fündig und stellte fest, daß es sich um die Markgräfin Mathilde von Tuscien handelt, die als Mathilde von Canossa bekannt wurde, weil ihre Geschichte eng mit der Geschichte von Canossa verbunden ist .

 

Mathilde lebte von 1046 - 1115, in einer für Europa unruhigen Zeit und ist die Tochter von Bonifaz dem Markgrafen der Toskana und Beatrix von Lothringen. Beatrix und Bonifaz bekommen drei Kinder, einen Sohn und zwei Töchter. Nach der Ermordung von Bonifaz heiratet Beatrix Gottfried den Bärtigen aus Niederlothringen. Über diese Ehe erzürnt sich der deutsche Kaiser Heinrich III, weil Beatrix, die mit ihm gemeinsam erzogen worden ist, sich mit seinem Erzfeind und Freund der Kirche verbunden hat. Es ist die Zeit des Investiturstreites. Die römische Kirche liegt in Fehde mit den deutschen Kaisern. Es geht um das Machtverhältnis zwischen Kirche und Staat, um die Besetzung der geistlichen Ämter, welche der Papst für sich beansprucht. Heinrich nimmt Gottfried gefangen und verbannt Beatrix nach Deutschland. Ihre zwei ältesten Kinder sterben in dieser Zeit, die neunjährige Mathilde teilt die Verbannung mit ihrer Mutter. Es gelingt, Heinrich III. zur Versöhnung zu bewegen, Gottfried wird begnadigt. Vor der Heimkehr der Familie nach Italien wird Mathilde, um die Besitztümer für die Familie zu sichern, mit Gottfrieds Sohn aus erster Ehe, mit Gottfried, dem Buckligen, verlobt. Mathilde ist erst elf Jahre alt, sie hasst ihren Verlobten. Wieder in Italien, wird Mathilde in Latein, französisch und deutsch unterrichtet. Doch vor allem ist es die religiöse Erziehung, die Mathilde prägt. Wie auch ihre Mutter, steht Mathilde auf Seiten der Kirche beim Investiturstreit. Während ihrer Erziehung baut sie ein vertrautes Verhältnis zu dem Mönch Hildebrand auf, der später Papst Gregor VII. wird. Diese Verbindung wird über Gregors Tod hinaus Mathildes Verhalten bestimmen.

Am Totenbett ihres Stiefvaters muß Mathilde, sie ist inzwischen dreiundzwanzig, in die Ehe mit dem buckligen einwilligen. Ein Sohn wird geboren, der aber im Kindbett stirbt. Mathilde verläßt ihren Gatten und flieht nach Italien. Beatrix nimmt sie auf. Gottfried versucht sich mit Mathilde zu versöhnen, sie aber weist ihn zurück und macht aus einem Freund der Kirche einen Erzfeind. Von nun an beteiligt er sich an den Kriegen, die Heinrich IV, der jetzt deutscher Kaiser ist, gegen Gregor führt, der inzwischen Papst geworden ist.

Der Versuch Mathildes, ihre Ehe vom Papst auflösen zu lassen, scheitert, trübt aber nicht das vertraute Verhältnis zu Gregor VII. Beleidigende Tratschereien über die Beziehung des Papstes zu Mathilde beginnen überall zu kursieren. In Deutschland formiert sich der Kaiser mit einigen Bischöfen gegen den Papst. Bei der Wormser Reichssynode, 1076 wird Gregor vorgeworfen, »dass er die ganze Christenheit mit einem Weibersenat regieren wolle«. Die Markgräfinnen halten treu zum Papst. Gottfried der Bucklige wird ermordet. Mathilde ist befreit und erwägt, ins Kloster zu gehen. Gregor verbietet dies, nicht aus Freundschaft, sondern weil ihm eine fromme Fürstin mehr nutzt, als eine fromme Nonne.

Beatrix stirbt, Mathilde ist nun Alleinherrscherin über Canossa, Lothringen und die Toskana. Sie nennt sich »Mathilde von Gottes Gnaden, wenn sie überhaupt etwas ist«. Papst Gregor gelingt es, Heinrich zu entmachten. Heinrich IV. wird mit dem Kirchenbann belegt. In Augsburg soll über Heinrich das Urteil gesprochen werden. Während der Papst, zum Teil von Mathilde begleitet, auf dem Weg nach Norden ist, hat der Gebannte in umgekehrter Richtung im bitteren Winter die Alpen überquert. Ein Überfall Heinrichs wird befürchtet, Gregor verschanzt sich auf Mathildes Stammburg Canossa. Heinrich IV erscheint dort, anders als gedacht, waffenlos als reuiger Büßer. Fürsprecher bitten den Papst, Heinrich zu erhören. Gregor gibt nach und Heinrich rettet die Krone für sich.

Die deutsche Opposition fühlt sich vom Papst verraten, es entbrennt ein Bürgerkrieg. Als Gregor 1080 Heinrich erneut mit dem Kirchenbann belegt, weiten sich die Kriegshandlungen aus. Heinrich gelingt es, bis Rom vorzudringen. Mathildes Truppen werden durch Verrat geschwächt. Als Heinrich in Rom den Papststempel erbeutet, teilt Mathilde dies allen Kirchentreuen mit. Die Normannen greifen ein und Heinrich muß sich zurückziehen.

Gregor muß trotzdem fliehen und verstirbt. Mathilde schickt vertraute Bischöfe aus Italien und Frankreich nach Rom, um Einfluß auf die Papstwahl zu nehmen. Nach dem Abt von Montecassino wird der Franzose Urban II. Papst. Dieser weiß sich den Zielen Gregors verpflichtet, handelt aber diplomatischer und benutzt Mathilde als menschlichen Köder. Mathilde – inzwischen zweiundvierzigjährig – muß mit dem siebzehnjährigen Guelfo von Bayern eine Scheinehe eingehen. Die Öffentlichkeit erfährt davon nichts und Mathilde muß Spott über sich ergehen lassen. Das Zweckbündnis nutzt anfangs nichts, Heinrich greift weiter an, erobert viele Städte, nur Reggio bleibt der Gräfin treu.

Heinrich überfällt Canossa. Mathilde muß fliehen, ihr Ehemann kann viele verlorene Plätze zurückerobern. Mathilde bekommt ungewöhnliche Unterstützung: Heinrichs Frau und sein Sohn Konrad, wenden sich gegen Heinrich. Konrad verlangt gar die lombardische Königskrone. Der Umschwung beginnt. Urban II bringt Kardinäle und Bischöfe auf seine Seite. Mathildes Scheinehe ist nun unnötig geworden. Mathilde erobert die alleinige Herrschaft und auch die Toskana zurück. Konrad stirbt, Mathildes Macht steht nun unangefochten fest. Unablässig reist sie durchs Land, hoch zu Roß und mit prächtigem Gefolge, sorgt für Ordnung, hält Gericht und geht gegen Ungehorsamkeiten vor.

Man achtet die Fürstin, anerkennt ihre Verdienste, wenn sie auch nicht nur auf Freunde trifft. Inzwischen bekriegt Heinrich V seinen Vater Heinrich IV. Die alternde Mathilde verhält sich gegenüber Heinrich V und seinen Machenschaften neutral. Sie setzt sich nur noch für in Kerkerhaft genommene Bischöfe ein. HeinrichV gibt ihren Wünschen nach und verpflichtet sich dadurch die mächtige Mathilde. Es kommt dazu, daß sie ihm die erbliche Nachfolge ihrer Hausgüter verspricht. Doch Mathilde verschenkt mit vollen Händen Güter, Rechte, Einkünfte an kirchliche Institutionen. Es ist, als wollte sie zu Lebzeiten alles verteilen, um eine Auseinandersetzung über das Erbe unnötig zu machen. Mathilde stirbt am 24. Juni 1115 in Anwesenheit des Bischof von Reggio.

In Europa rühmt man Mathildes Frömmigkeit und ihren heldenhaften Kampf für die Kirche. Ein einheitliches Urteil wird aber von den Chronisten nicht abgegeben. Das Spektrum reicht vom lüsternen Mannweib bis zur heiligmäßigen, züchtigen Jungfrau. Mathilde geht in die Sage ein. In der Emilia wird sie bis heute nicht vergessen.

Ursula Wessling

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