Wilma Rudolph war die erste Amerikanerin, die drei Leichtathletikgoldmedaillen bei den selben olympischen Spielen gewann. Dabei sah es in ihrer Kindheit keineswegs so aus, als würde aus ihr eine Sportlerin werden:
Sie war nicht nur schwarz und weiblich - in ihrer Zeit Handicap genug
- sondern erkrankte bereits als kleines Mädchen an Kinderlähmung. Ihr
linkes Bein blieb teilweise gelähmt, und sie musste eine Schiene tragen.
Ein Spezialist in Nashville zeigte der Familie, wie Wilmas Bein massiert
werden musste, und ihr Geschwister (die Anzahl schwankt je nach Quelle
zwischen zehn und einundzwanzig) wechselten sich darin ab. Mit deren
Hilfe übte Wilma auch, ohne die Schiene zu laufen, und mit neun Jahren
verblüffte sie ihre Ärzte damit, dass sie die Schiene ablegt und ohne
Hilfe ging.
Dennoch musste sie noch weitere zwei Jahre einen orthopädischen Schuh
tragen. Dann jedoch stand sie auf eigenen Füßen und strafte alle Lügen,
die ihr ein Leben als Behinderte prophezeit hatten.
"Mit zwölf habe ich jeden Jungen in der Nachbarschaft herausgefordert,
im Laufen, im Springen, in allem", sagte sie in einem Interview mit
der Chicago Tribune.
Ihre Sportliche Karriere begann mit Basketball, aber schon bald wurde
sie an ihrer High School von einem Leichtathletiktrainer entdeckt. In
den vier Jahren, in denen sie an der High School sprintete, gewann sie
jedes ihrer Rennen.
Mit sechzehn wurde sie für das amerikanische Olympiateam für die Spiele
in Melbourne 1956 nominiert. In den Einzelwettbewerben schied sie aus,
aber mit der 4 x 100 m Staffel gewann sie Bronze. An ihrer Schule wurde
sie dafür stürmisch gefeiert, die Medaille wurde herumgereicht. "...
Als ich sie zurückbekam war sie voller Fingerabdrücke. Ich nahm sie
und wollte sie polieren. Ich stellte fest, dass Bronze nicht glänzt.
Also beschloss ich, es noch einmal zu versuchen. Beim nächsten Mal wollte
ich Gold gewinnen."
Das gelang ihr 1960 in Rom, wo sie die 100 m und 200 m gewann und in
ihrem Staffelrennen so viel Boden gut machte, dass die Sprinterinnen
der USA auch dort die Goldmedaille erhielten. Dabei lief sie über 200
m gleich noch olympischen Rekord.
Bis zu ihrem Rücktritt 1963 stellte Wilma Rudolph noch mehrere Weltrekorde
auf. Die Medien gaben ihr den Beinamen "Die Schwarze Gazelle". Sie wurde
in Europa und Amerika gefeiert, gab Interviews, wurde zu Fernsehsendungen
eingeladen, erhielt viele Ehrungen und wurde von Präsident Kennedy im
Weißen Haus empfangen. In klingende Münze ließ sich das damals
allerdings nicht umsetzen; Amateursportler und -sportlerinnen hatten
von ihren Erfolgen keinerlei finanzielle Vorteile.
Im Anschluss an ihre sportliche Karriere machte sie ihren Collegeabschluss
und wurde Lehrerin und Leichtathletiktrainerin. 1977 erschien ihre Autobiografie
"Wilma". Sie war viel auf Reisen, hielt Vorträge und motivierte drei
Jahrzehnte lang viele junge Menschen dazu, Sport zu treiben und sich
um eine Ausbildung zu bemühen. Die von ihr 1982 gegründete Wilma Rudolph
Foundation unterstützt junge Amateursportler auf diesem Weg.
Junge Frauen lagen ihr dabei besonders am Herzen. "Man kann nur Triumphe
feiern, wenn man sich dafür abmüht. Und ich weiß, was das bedeutet.
Mein ganzes Leben lang habe ich meine Erfahrungen als Spitzensportlerin
zu teilen versucht, damit andere junge Frauen eine Chance haben, ihre
Träume zu verwirklichen."
Andrea C. Busch