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Dona Qichotas Kampf gegen die Windmühlenflügel

Zwischenbilanz zur feministischen Sprachkritik

Seit Mitte der siebziger Jahre erlebt "mann" mit wachsendem Befremden, wie "frau" die deutsche Sprache instandbesetzt. Früher fand sie keinen Raum in dieser "Herr-berge", genannt "Muttersprache" (ausgerechnet). Inzwischen hat frau sich eingerichtet und mit der Sanierung begonnen. Die Regeln der Grammatik, morsches Gebälk, werden feminisiert und dadurch humanisiert. Am Mauerwerk, dem Wort"schatz", wird zur Zeit viel geklopft und geprüft, was noch brauchbar ist, was hinaus muss und was wo neu eingesetzt werden soll.

So steht es im Klappentext zu Luise F. Puschs viel gelesenem und diskutiertem Klassiker "Das Deutsche als Männersprache" aus dem Jahr 1984. Nach mehr als zwanzig Jahren Bemühungen um eine frauengerechte Sprache in der Öffentlichkeit müssen Feministinnen ernüchtert erkennen, dass die Realität der Einschätzung Puschs stark hinterher hinkt. Wo ist sie geblieben, die frauengerechte Sprache, vor allem im Alltag? Schlagen wir doch eine beliebige Tageszeitung auf - von ganz wenigen progressiven einmal abgesehen - wo finden sich Frauen als autonome, eigens benannte Persönlichkeiten wieder?

Da bieten Handarbeitsgeschäfte in Anzeigen "Stickkurse für Kunden" an; Mediziner behandeln "Patienten mit Brustkrebs"; eine Gruppe von Aktiven besteht aus "sieben Mann, darunter zwei Frauen"; die Damenmannschaft eines Fußballclubs hat sich qualifiziert; die Stelle aus einer kommunalen Frauenbeauftragten wird "aus der Rathausmannschaft" besetzt; weiterhin werden die Milchmädchen diskriminiert, die ja angeblich nicht rechnen können. Herr Jedermann hat nach wie vor Konjunktur; und als "Normalverbraucher" wird hartnäckig ein Junggeselle mit Vornamen Otto gehandelt. - Neu im Sprachgebrauch ist dagegen die "Cousinenwirtschaft" einer Ministerin, die über diese Affäre stolperte und zurücktreten musste. Bestimmt hätten sich Feministinnen energisch dagegen ausgesprochen, den Fall als "Vetternwirtschaft" abzutun...

Lediglich in den Stellenanzeigen der Zeitungen werden Frauen fast überall genannt. Vermutlich deshalb, weil sie den Klageweg beschreiten können, wenn sie von vornherein aufgrund ihres Geschlechtes ausgeschlossen werden. Selbst (für Frauen) ungewöhnliche Berufsbezeichnungen wie "Datenbank- Spezialist/in", Vorstandsfahrer/in", Software-Entwickler/in", "Service-Ingenieur/in", General- oder Hauptagent/in" werden im allgemeinen nicht geschlechtsbezogen ausgeschrieben. Ab und zu finden sich auch "geschlechtsneutrale" Anzeigen, die eher amüsant als ernst gemeint sind, wenn zum Beispiel der/die "Sekretär/ in", "Arzthelfer/in" oder "Medizinisch-pharmazeutische Assistent/in" gesucht wird. Ob sich für diese typischen Frauenberufe überhaupt männliche Bewerber finden?

Hauptkritikpunkt an einer frauengerechten Sprache ist das Argument, Texte würden dadurch "umständlich" und "schwerfällig". Aber seien wir ehrlich: reden und schreiben wir nicht ständig "unökonomisch" - zum Beispiel durch den Gebrauch von Füllwörtern und Floskeln" Höfliche Menschen sagen am Mittagstisch auch nicht: "Salz her!", sondern beispielsweise: "Kann ich bitte mal das Salz haben?" Statt der reinen Höflichkeitsfloskel "Ladies first" sollte man(n) besser Frauen dort ausdrücklich ansprechen, wo sie sonst angeblich immer "mitgemeint" sind, wenn von Bürgern, Anwohnern, Antragstellern, Mitarbeitern die Rede ist.

Auch das Argument, gesellschaftliche Veränderungen seien nicht durch Änderung der Sprache zu erreichen, ist leicht zu widerlegen. Sprache, Denken und Bewusstsein sind sehr wohl eng miteinander verknüpft. Dabei können Sprachveränderungen sowohl Ursache als auch Folge politisch- gesellschaftlicher Veränderung sein. (Schlüpfte zuerst die Henne aus dem Ei oder wurde das Ei zuerst von der Henne gelegt?)

Sprachliche Dominanz einer Gruppe über eine andere bedeutet auch Dominanz auf gesellschaftlich-politischer Ebene. Wer die Sprache "besitzt", besitzt auch die Macht. Das was wir täglich hören, lesen und selbst sagen, beeinflusst auch unser Denken und Empfinden.

Wenn beispielsweise immer nur von Arbeitern, Studenten und Sportlern die Rede ist, wird eine Welt produziert, in der nur Männer arbeiten, studieren und Sport treiben. Leistungen von Frauen in diesen Bereichen werden ignoriert und durch Sprache "ausgelöscht".

Diskriminierung durch Sprache findet auch auf anderen Gebieten statt: wenn eine Frau zum Beispiel als (Ehe-)Frau eines Fußball-, Tennis- oder Showstars vorgestellt wird; wenn von "Bundeskanzler Kohl und Frau Hannelore" die Rede ist; wenn die Attraktivität von Frauen für Männer stärker hervorgehoben wird als ihre professionelle Funktion und Qualifikation. Beispiel aus einem Presseartikel zur Einführung der neuen Frauenbeauftragten des Landkreises Darmstadt-Dieburg: "Schon seit einigen Jahren wohnt die zum Pressetermin schick geschminkte Frau mit ihrem Mann in Altheim" (Darmstädter Echo vom 4.11.1994).

Während die Alltags- und Mediensprache (vor allem die Presse) weiterhin Frauen sprachlich ignoriert, abwertet, missachtet oder über Männer definiert, hat die Feminisierung der Sprache Einzug in Ämter, Behörden und Verwaltungen sowie deren Schriftstücke gehalten. Und - frau glaubt es kaum - selbst das katholische Messbuch soll bei seiner Neugestaltung unter anderem von "androzentrischen" (das heißt auf den Mann bezogenen) Formulierungen befreit werden. So besteht immerhin die Chance, dass auf dem Umweg über offizielle Verordnungen und Richtlinien eine frauengerechtere Sprache doch noch den Weg in den Alltag und die Medien findet.

Erinnern wir uns an ein Beispiel gelungenen Sprachwandels: Noch 1988 plädierte eine Glosse mit dem Titel "Herr oder Herrlein?" in einer Sekretärinnenzeitschrift für die Abschaffung der als diskriminierend empfundenen Anrede "Fräulein" für unverheiratete Frauen. Heute ist diese Anrede - von wenigen nostalgischen Anwandlungen abgesehen - fast ausgestorben, nachdem sie eine Tradition von nahezu 800 Jahren erreicht hatte. Im Laufe der feministischen Bewegung und selbstbewusst durch berufliche Tätigkeit wehrten sich unverheiratete Frauen immer häufiger und stärker, letztlich auch erfolgreich gegen die Anrede "Fräulein", die sie als diskriminierend empfanden, weil sie im Gegensatz zu der Anrede für Männer sofort ihren Familienstand enthüllte. Dieser wurde an der verheirateten Frau und ihrem sozialen Status gemessen und als "unverheiratete, unversorgte Frau", die "keinen Mann abgekriegt hat", interpretiert.

Seit Ende der achtziger Jahre ist es im öffentlichen Dienst üblich, dass selbst ganz junge Frauen, die direkt aus der Schule kommen, bei Bewerbungsgesprächen und im Schriftwechsel mit "Frau" angesprochen oder angeschrieben werden. Auch hier regelte zunächst eine Dienstvorschrift die Anrede, bis sie sich im allgemeinen Sprachgebrauch durchsetzte.

Eine Meldung, die kürzlich durch die Presse geisterte, lässt Feministinnen wieder hoffen: Unter der Überschrift "Alles weiblich in Eutin" berichtet dpa, dass es von April an in der Verwaltung der ostholsteinischen Stadt nur noch Frauen gebe - zumindest nach der neuen Hauptsatzung. Die grammatische Geschlechtsumwandlung gelte für alle Funktionsträger - von der Bürgermeisterin bis zu den Gemeindewehrführinnen, die allesamt männlichen Geschlechts sind. "Lange genug mussten sich Frauen von der männlichen Form angesprochen fühlen. Jetzt ist es eben umgekehrt," sagt dazu die Bürgermeisterin.

Eigentlich ist es doch so logisch: Die männliche Form ist als "Schwundform" (Pusch) immer in der weiblichen enthalten, während nach der bisherigen Sprachregelung die weibliche Form immer als das Andere, Spezielle, Besondere an die männliche Form angehängt werden muss.

Liliane W. Spandl

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