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Eine Spitzbübin?

Wer Frauen vertraut, vertraut Spitzbuben, sagt ein lateinisches Sprichwort. Um so verwunderlicher scheint es daher, dass gerade Kaiser Augustus, der erste war, der der heidnischen Göttin Iustitia einen Tempel in Rom errichten ließ, in dem sie als Schützerin des Rechts verehrt wurde.

Das klassische Heidentum glaubte noch an einen weiblichen Geist der Gerechtigkeit. Das erklärte Ulpian dadurch, dass »das weibliche Naturprinzip eine weit tiefere Verwandtschaft mit dem natura iustum (was von Natur aus gerecht ist) habe, als das männlich, dem Prinzip der Herrschaft zugänglichere Geschlecht«.

Etwas anders lehrten es die Pythagoräer. Sie gingen davon aus, dass iustitia und aequitas (Gerechtigkeit und Gleichheit) ureigene Attribute des weiblichen Naturprinzips seien.

Doch erst mit der Entstehung des weltlichen Rechtes im 14. und 15. Jahrhundert nahm die bildliche Darstellung der Figur der Iustitia an Brunnen, in Gerichtssälen und an öffentlichen Gebäuden sprunghaft zu. Zwar wurde Gerechtigkeit auch anders dargestellt, beispielsweise als das »Jüngste Gericht« oder das »Urteil Salomons«. Durchgesetzt hat sich jedoch die Gerechtigkeit in Form der Iustitia mit verbundenen Augen, sowie Waage und Schwert in den Händen zum Zeichen, dass sie ohne Ansehen der Person spricht und richtet. Dabei drückt das Symbol der Waage auch den Gedanken der Vergeltung aus. Sowohl das Tun und Lassen der und des Einzelnen als auch der Mensch selbst werden gewogen und sein Verhalten wird ausgeglichen.

Inzwischen ist die Iustitia zu einem allgegenwärtigen Abbild von Gerechtigkeit geworden. Mal wird sie würdig, mal lächerlich wiedergegeben. Offen bleibt die Frage, wieso gerade zu einer Zeit, in der Frauen real an Einfluss verloren, eine Frau zur Symbolfigur für Gerechtigkeit gemacht wurde.

Anja Spangenberg

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