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Kinder und Konsum

Ich erinnere mich: Der Einkauf mit beiden Kindern, eins an der Hand, eines im Sportwagen mit Ausblick, wurde beim Warten an der Kasse zur Prüfung meine Standhaftigkeit. Lautstark forderten meine beiden "Lieblinge", was sie im Regal an der Kasse sahen. Die süßen "Verführer" standen zum Greifen nahe. Warum meine Kinder, zwei und vier Jahre alt, so gut wussten, was hinter der bunten Verpackung verborgen war, weiß ich nicht genau. Wahr-scheinlich habe ich sie selbst durch mein alltägliches Verhalten wie dem Austeilen von Schokoladestückchen und anderen Leckereien gut geschult. Das Plätzchen in der Bäckerei oder die Scheibe Wurst in der Metzgerei, dies alles trug zur unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung bei.

Kinder sehen und hören also sehr früh, was es alles zu kaufen gibt. Kinder und Jugendliche wissen oft besser als Erwachsene über bestimmte Produkte Bescheid. Anfangs sind es Naschwaren, die von den Eltern gefordert wer-den. Später ist es ein Spiel, sind es Märchenkassetten oder Bücher, welche die Freunde ebenfalls besitzen.

Die menschlichen Bedürfnisse sind formbar und häufig gruppenbestimmt. Dies gilt für Erwachsene ebenso wie für Kinder. Das, was so toll ist, das will ich auch haben. Ob wir "in" oder "out" sind, hängt zumeist davon ab, ob wir dem Trend mitmachen können. Jugendliche wollen durch Kleidung und Haartracht die Zugehörigkeit zu einer be-stimmten Bezugsgruppe zeigen.

Erwachsene demonstrieren durch die Einrichtung der Wohnung und die Klasse ihres Automobils die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht. Außerdem lassen wir uns durch neue Produkte und die Werbung in unserem Kauf-verhalten beeinflussen. Neben den Erwachsenen werden junge Menschen als wichtige Käufer angesprochen, sie werden stark umworben. Schon die 7- bis 15-jährigen bilden eine finanzkräftige Gruppe. Taschengeld, übrige Geldzuwendungen und Sparguthaben bilden ein Geldpotential von rund 11,5 Milliarden DM. Dabei ist zu beach-ten, dass die Finanzmittel ungleich verteilt sind.

Viele Eltern bringen, um ihre Kinder anderen gegenüber nicht zu benachteiligen, große Opfer für deren Wünsche. Jugendliche antworten auf die Frage, ob ihre Wünsche leicht erfüllt werden, zu 50 % mit "nicht so leicht". Sie müssen also über ihre Wünsche mit den Eltern verhandeln. Auf die Frage, wie sie selbst mit Gels umgehen antwor-ten sie: vernünftig. Allerdings steht auch fest, dass jede/r vierte Jugendliche nicht über genügend Selbstdisziplin verfügt, sondern "in vollen Zügen lebt", bis das letzte Geld ausgegeben ist.

Die Schuldnerberatungen melden, dass eine Million der deutschen Haushalte überschuldet sind, die Jugendlichen haben also kein gutes Beispiel vor Augen. Wegen der schlechten Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt schwindet bei den Jugendlichen das perspektivische Denken: "Heute genießen, nicht für Morgen vorsorgen" ist die Devise, Ausbildung und Studium werden vorzeitig abgebrochen oder erheblich verlängert, um sich durch zuverdientes Geld etwas leisten zu können.

In einer Leistungsgesellschaft groß geworden, haben die Heranwachsenden eine stark auf Geld und Konsum aus-gerichtete Lebenseinstellung. Sie pflegen selbstbewusst ihren eigenen Lebensstil, führen zum Teil mit der Unter-stützung ihrer Eltern, den eigenen Haushalt, ohne dass sie tatsächlich wirtschaftlich unabhängig sind. Sie empfin-den sich als "völlig anders" als ihre Eltern. Heute wie früher sollen, müssen die jungen Leute ihre eigenen Erfah-rungen machen. Geldknappheit kann sehr heilsam sein.

Ursula Weßling

Literatur zum Thema:
»Unsere Kinder und das Geld«, herausgegeben vom Beratungsdienst der Sparkassen, erhältlich für 5 DM

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