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10 Jahre Darmstädter Frauenbüro

Das Darmstädter Frauenbüro wird zehn Jahre alt. Anläßlich dieses Jubiläums stand uns Trautl Baur, seit vier Jahren Darmstadts Frauenbeauftragte, für ein Interview zur Verfügung.

Frau Baur, mit welchen Gefühlen gehen Sie als derzeitige Frauenbeauftragte, in das zehnjährige Jubiläum?

Mit sehr guten Gefühlen. Darmstadt gehörte zu den ersten Städten, in denen ein Frauenbüro eingerichtet wurde und das sagt schon was aus. Es gab damals keine Gesetzesgrundlage, wonach Städte zur Einrichtung verpflichtet waren. Das war eine sogenannte freiwillige Leistung. Es setzte das deutliche Bewusstsein voraus, dass es der Gesellschaft im allgemeinen und unserer Stadt im speziellen dienlich ist, Geschlechtergerechtigkeit herzustellen, das heißt zunächst einmal, Benachteiligungen von Frauen aufzuspüren und Veränderungen einzuleiten. Ich denke, Darmstadt war hier eine Vorreiterin und das ist hoch anzuerkennen.

Was hat sich in zehn Jahren Frauenbüro für die Darmstädterinnen verändert?

Nun, da müßten die Darmstädterinnnen selbst gefragt werden. Die zehn Jahre zeigen aber, dass mit der Arbeit des Frauenbüros ein Bewußtsein zum Thema hergestellt worden ist, und es weiter wächst. Im Verlauf dieser Zeit konnten wir immer deutlicher erkennen, wie grundlegend die Frauenbenachteiligung ist. Dabei geht es sowohl um die Frau, der Gewalt angetan wird, als auch um die strukturelle Benachteiligung der Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft. Das bedeutet, Frauen sind im öffentlichen Raum oft nicht gut aufgehoben und treten mit ihren Kompetenzen nur wenig in Erscheinung. Frauen wird die öffentlichen Stimme und Repräsentanz verweigert. All dies rückt durch die Arbeit der zehn Jahre stärker ins Bewustsein. Die Stadt Darmstadt hat vor zehn Jahren nicht nur ein Frauenbüro eingerichtet, sondern hat sich diesem Thema auch immer wieder gestellt. Ganz konkret, vor fünf Jahren, wurde der Beschluss gefasst, Darmstadt ist auf dem Weg zu einer frauengerechten Stadt. Heute bauen wir ein frauengerechtes Haus am Vilbelerweg in Darmstadt. Ich denke, in der nächsten Zeit werden wir auf dieser Grundlage aufbauen und es werden immer mehr neue Stufen kommen, bis wir das Ziel erreicht haben, das heißt: Die Geschlechter sind gleichberechtigt!

Was wurde und wird konkret geleistet, um diesem Ziel näher zu kommen?

Da müssen erstmal die beiden Aufgabengebiete unterschieden werden. Im internen Bereich gilt das Hessische Gleichberechtigungsgesetz vom Dezember 1993 als Grundlage, nach dem die Frauenbeauftragte an allen personellen, sozialen und organisatorischen Veränderungen zu beteiligen ist. Die Stadtverwaltung ist groß, wir haben in etwa 3000 Beschäftigte und Sie können sich vorstellen, dass hier ein großes Maß an Arbeit zu bewältigen ist. Da gilt es, mit eingerichteten Gremien zu arbeiten, bei Stellenbesetzungen mitzuwirken, in die Verwaltungsreform eingebunden zu werden und vieles mehr. Glücklicherweise habe ich seit Dezember 1993 eine Stellvertreterin, Frau Leonhardt, die in meiner Abwesenheit diese Aufgaben wahrnehmen kann. Im externen Bereich haben wir uns die Bereiche so aufgeteilt, dass Frau Leonhardt für die Mädchenpolitik zuständig ist. Es besteht ein Mädchenarbeitskreis und als konkrete Aktion wurde vor kurzem ein Bewegungstag veranstaltet. Ich persönlich bin für den Frauenbereich zuständig, in dem wir eine kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit zu Themen wie zum Beispiel "Frauen und Wohnungsnot" leisten. Hier haben wir uns einer Bundesaktion "Frauen leben - Frauen wohnen" angeschlossen. Es besteht ein interdisziplinärer Arbeitskreis "Gewalt gegen Frauen und Mädchen", der einen Anforderungskatalog an die Justiz und Polizei erstellt hat. Wir haben jedes Jahr im Herbst die Frauen Kunst Tage, die von Künstlerinnen gestaltet und mitorganisiert werden, ebenso den Frauen KreativMarkt und es gäbe noch einiges anderes aufzuzählen...

Einer Ihrer Arbeitsschwerpunkte liegt in Antirassismus- Initiativen. Warum haben Sie dieses Thema aufgegriffen?

Die Benachteiligung von Frauen die Benachteiligung von Völkern ist eins. Ich denke, man kann das eine nicht aufheben, ohne das andere mitzudenken. Und ich finde es wichtig, dieses Thema mit all den Facetten von Unterdrückung und Diskriminierung in der Gesellschaft sichtbar zu machen. Dies geschieht mit dem gleichen Ziel, die Geschlechtergerechtigkeit und die Völkergerechtigkeit zu erreichen. Für mich gehören die Themen zusammen und ich denke, auf dem Weg zu einer gerechten Welt spart es Energie und Zeit, wenn wir beiden Themen eine öffentliche Stimme geben.

Ich habe gelesen, eine Vision der Traudl Baur ist, eine Frauen-Messe in Darmstadt zu initiieren. Wie weit ist sie gediehen?

Ja das stimmt. In die konkrete Planung sind wir noch nicht eingetreten. Aber ich stelle mir vor: in Darmstadt gibt es ja nicht nur ein Frauenbüro und ein Frauenhaus, sondern es git sehr viele Frauenverbände, Fraueneinrichtungen und Frauenprojekte. Sie arbeiten auf den unterschiedlichsten Ebenen mit dem gleichen Ziel, die Benachteiligungen von Frauen aufzudecken, diese öffenlich zu machen und die Beendigung der Diskriminierung einzufordern. Wenn ich mir vorstelle, dass die Energie von all den Frauen, die täglich an unserem Thema arbeiten, an einem Tag in möglichst allen Straßen und öffentlichen Plätzen unserer Stadt leben könnte, dann wäre dies eine ungeheure Energie, die Veränderungen bewirken muss. Was sonst vereinzelt hinter verschlossenen Türen an Kreativität und Konstruktivität lebt, könnte zur gleichen Zeit und am gleichen Ort sichtbar werden.

Wie unterscheidet sich die Arbeitsweise im Frauenbüro von der in anderen Büros?

Einmal unterscheidet sie sich in der Aufgabenstellung. Wir haben eine Querschnittsaufgabe. Wir haben uns tatsächlich um alles zu kümmern, um das gesamte gesellschaftliche System mit all seinen Teilbereichen. Ansonsten sind Mütter ja für kleinere Einheiten zuständig und das ist schon ein großer Unterschied. Dadurch müsste es eigentlich auch einen Unterschied in der personellen Ausstattung geben. An dieser Stelle ist zu sagen, dass sich die personellen Situation im Frauenbüro Darmstadt schon erweitert hat und das ist sehr gut. Ein weiterer formaler, aber wichtiger Unterschied besteht darin, dass die Frauenbeauftragte keinen Dienstweg durchlaufen muss, das heißt, der Gang zum Vorgesetzten entfällt. Sie hat ein direktes Zugangsrecht zu allen Personen und zu allen Vorgängen ihres Aufgabenbereichs. Sie hat darüber hinaus ein direktes Rederecht - kein politisches Rederecht, zum Beispiel in der Stadtverordnetenversammlung - aber ein Rederecht zur jeweiligen Problemstellung und sie hat zu konkreten Themenstellungen ein direktes Presserecht.

Wo liegen die Hauptschwierigkeiten bei der Umsetzung frauenspezifischer Projekte?

Wie ich schon gesagt habe, hat sich das Bewußtsein zum Glück geändert. Es ist mittlerweile möglich, ernsthafte Dialoge zu führen. Aber natürlich ist die Aufgabe, die Geschlechtergerechtigkeit hier bei uns in Darmstadt und auf der ganzen Welt herzustellen, nicht erfüllt. Wir stecken mitten im Prozess und es kostet noch sehr viel Energie und auch mehr Geld, um das Ziel zu erreichen. Die öffentlichen Kassen werden immer knapper, es ist schwierige mit wenig Geld grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen durchzusetzen. Doch es ist zu sagen, dass zumindest 1996 trotz der angespannten finanziellen Lage keine Fraueneinrichtung geschlossen werden musste. Ich hoffe sehr, dass die Mittel auch weiterhin zur Verfügung gestellt werden, damit kein Frauenprojekt Einbußen erleiden muss. Denn das würde für unsere Gesellschaft noch viel teurer werden.

Mit welchen Perspektiven bewegt sich das Frauenbüro auf das neue Jahrtausend zu?

Zum einen haben wir den Wunsch und den Willen, mit der Energie, die hier lebt, weiterhin begeistert unsere Arbeit durchzuführen. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass die finanzielle Grundlage bleibt oder sich verbessert, die Frauenprojekte in Darmstadt dem Bedarf gemäß weiterarbeiten oder besser ausgestattet werden. Zum anderen haben wir das Ziel, bei unserer Arbeit immer konsequenter an die tieferen Ursachen von Benachteiligungen zu gehen, wenn es um Frauengerechtigkeit geht immer mehr zu erkennen, immer klarer zu sprechen und mit den EntscheidungsträgerInnen immer deutlicher zu verhandeln.

Frau Baur, vielen Dank für das Gespräch und wir wünschen allen Mitarbeiterinnen des Frauenbüros viel Kraft, Mut und Entschlossenheit für die nächsten zehn Jahre!

Regine Jochmann-Munder

  • Das Frauenbüro feiert am 14. November ab 19 Uhr im Mollerhaus sein zehnjähriges Bestehen und lädt dazu alle interessierten Frauen und Männer herzlich ein.

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