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MATHILDE

Happy Birthday, Traudl Baur

Während der offiziellen Feier im Frauenzentrum Darmstadt anläßlich des 60igsten Geburtstages von Traudl Baur, der amtierenden Frauenbeauftragten der Stadt und ihrer Vorgängerin Kaj Fölster, führte MATHILDE folgendes Interview.

Erzählen Sie bitte den anwesenden Frauen etwas über Ihre Studentinnen- und Ausbildungszeit. Was waren die Frauenthemen zur damaligen Zeit?

Kaj Fölster: Es war ein Jahrzehnt, wo ich dachte, es ist eine optimistische Zeit und nun steht einem alles offen. Die Grenzen sind weg, man kann reisen und dieses und jenes studieren. Die Frauenthemen waren zunächst, wie mache das mit dem Kind bzw. wie komme ich nicht zu einem Kind. Informiert war ich nicht. Ich wußte nur, dass Frauen gleichberechtigt sein sollen und da mische ich mit. Aber es gab keine Frauengruppen. Ich war zwar Mitglied in einer Partei, aber eine Frauengruppe gab es nicht. Natürlich habe ich Simone des Beauvoir gelesen, und das Thema meiner Diplomarbeit war "Eine Bestandsaufnahmen über die Situation alleinstehender Mütter in der Altstadt von Stockholm".

Traudl Baur: Ich habe mein Abitur im Kloster gemacht, bei den Nonnen. Gekämpft habe ich immer schon, waren es damals auch noch keine Frauenthemen, so zum Beispiel der Kampf gegen die Todesstrafe. Später habe ich Naturwissenschaften in Würzburg studiert. Das Thema meiner Diplomarbeit war "Der Geruchssinn der Ameise" - immerhin ein weibliches Tier und sie hat einen sehr guten Geruchssinn.

Wodurch wurden Sie geprägt, dass Sie sich für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzen. Welche Vorbilder hatten Sie? Waren es Ihre Mütter?

Traudl Baur: Meine Mutter war sicher ein Vorbild, ich selber würde nicht sagen, dass sie eine frauenpolitische Frau war. Meine Mutter ist mit meinem Bruder und mir geflohen, später waren auch die anderen drei Geschwister wieder mit uns zusammen, aber ohne meinen Vater. Sie hat uns allen das Studium ermöglicht, uns zwar mit einem ungeheuren Einsatz. Insofern wurde ich von ihr und meiner älteren Schwester, die damals schon als Lehrerin arbeitete, gefördert. Ein wichtiges Vorbild war auch mein Internatsleiterin, eine Ursuline, eine Frau mit sehr klaren Positionen.

Kaj Fölster: Ich wuchs in einer politischen Familie auf, 1936 als Geburtsjahr bedeutet, dass man in einer politischen Familie, die sehr anti-faschistisch war, natürlich auch gesellschaftspolitisch geprägt wurde. Unter anderem auch von einer Mutter, die sehr frauenbewußt war und so habe ich viele Widerstände, die sie gelebt hat, mitbekommen. So erinnere ich mich, wie sie sagte, "gäbe es nicht die chronische Überheblichkeit der Männer, dann würde die Welt anders aussehen". Neben der politischen und auch der moralischen Seite des Kampfes gegen Machtmißbrauch, so gab es noch die ethische, die mich sehr, sehr stark gepägt hat. Soziale Gerechtigkeit war mir früh wichtig.

Frau Fölster, Frau Baur, Sie sind ja beide recht engagierte und erfolgreiche Frauen. Zur Zeit läuft ein Film mit dem Untertitel "Dass hinter jeder erfolgreichen Frau ein Mann steht, der sie bremst". Durch welche Männer wurden Sie gebremst?

Kaj Fölster: Als ich mit 22 Jahren nach Deutschland kam, verheiratet mit einem Deutschen, und sofort das erste Kind bekam, ging mir - wegen des Kulturwechsels - erstmals richtig bewußt auf, wo die ganzen Widerstände gegen Gleichberechtigung, gegen meine Erwerbstätigkeit, gegen Kinderbetreuung etc. liegen. Mein Mann, der Einzige, den ich im neuen Umfeld kannte, stellte sich bewußt auf meine Seite, was für mich normal schien - aber ich merkte wie die "normalen" Männer sich mit aller Kraft - und mit althergebrachten Argumenten - zur Wehr setzen. Bei meinem ersten Sohn sprachen die Leute vom Stammhalter und ich dachte: "Welchen Stamm hält er denn?"

Traudl Baur: Tja, was soll ich dazu sagen. Ich fange mal mit dem Positiven an. Ich hatte einen sehr förderlichen Mann, das war mein ältester Bruder, der ist leider inzwischen gestorben. Ich war mit zehn Jahren allein im Internat und abends sehr einsam. Mein Bruder stand jeden Abend unter meinem Fenster und hat mich in den Schlaf gesungen. Mein geschiedener Mann dagegen war nicht sehr fördernd. Als mein Sohn drei Jahre alt war, habe ich mich scheiden lassen. Meine älteste Tochter war acht Jahre alt und dazwischen sind noch zwei weiter Kinder. Nach der Scheidung ging es uns sehr gut.

Frau Baur, Frau Fölster, Sie feiern heute abend gemeinsam Ihren Geburtstag. Welchen Kontakt haben Sie zueinander?

Kaj Fölster: Als ich vor 10 Jahren als Frauenbeauftragte hier nach Darmstadt kam und sehr schnell versuchte, alles zu erfahren, da war natürlich das Frauenhaus eine der wichtigsten Fragen. Dies bedeutete, dass die Leiterin des Frauenhauses, Fraudl, eine von den Personen war, die ich ganz früh kennenlernte. Ich glaube, wenn ich so zurückdenke, dass wir sofort Kontakt hatten. Dieser Kontakt war nicht nur auf der beruflichen Ebene, es ging tiefer. Diesen Kontakt haben wir gehalten, obwohl die Zeit nicht so ist, dass man sitzt und viele Abende zusammen verbringt. Dies wollen wir irgendwann noch nachholen.

Traudl Baur: Dies kann ich nur bestätigen. Eine Erinnerung kommt dabei auf. Ich hatte gerade so angefangen als Frauenbeauftragte und traf Dich in der Luisenstraße. Du kamst gerade so auf mich zu und ich habe mich unheimlich gefreut - ich kannte Dich vielleicht gerade mal zwei Tage. Wir sind uns um den Hals gefallen und Du hast gesagt: "Ja, und es ist auch schwer." Daraufhin gab es dann sehr viele Anrufe: "Kannst Du nicht mal kurz kommen, ich habe gerade was Schönes gekocht, da hast Du noch in der Viktoriastraße gewohnt, und dann ging es meistens nicht. Die Verbundenheit ist geblieben, aber die Zeit ist immer sehr kurz.

Kommt es denn vor, dass die ehemalige Frauenbeauftragte Kritik an der jetzigen Frauenbeauftragten übt, und wie sieht diese aus?

Kaj Fölster: Diese Frauenbeauftragtenstelle, die ich antrat - es gab vorher keine - bedeutete, dass ich die Sache so gesatltete, wie ich konnte. Ich habe aus der Situation heraus reagiert und agiert. Mir wurde sehr schnell klar, dass in Zusammenarbeit mit den anderen Frauenbeauftragten, jede Frauenbeauftragte einen persönlichen Stil mit hineinbringt. Es gibt kein Berufsbild einer Frauenbeauftragten. Jede hat nicht nur Schwerpunkte, sondern auch ihren eigenen Stil. Ich ahbe die Einstellung, dass ich alles bejahe, was menschlich ist und dies auch zum Tragen kommt. Als ich dann wegging, war ich sehr neugierig was aus dieser Stelle wird. Meiner direkten Nachfolgerin (es war nicht Traudl Baur) habe ich natürlich Ratschläge gegeben, wenn sie darum bat. Als die Trautl kam war ich ebenso gespannt, wie es jetzt weitergehen würde. Ich habe nie gedacht, das hätte ich aber besser machen können, da ich von den Schwierigkeiten weiß. Ab und zu habe ich auch angerufen und gesagt "Traudl, ich weiß, was Du für Schwierigkeiten hast."

Was wünschen Sie sich für die Frauenbüros in Darmstadt und Region?

Traudl Baur: Ich wünsche mir regen Austausch mit Darmstadts Frauen. Auch da, wo wir anders denken, wünsche ich mir einen kreativen Dialog.

Brigitte Schulze

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