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Mode Macht Frauen

Das Beispiel Textil- und Bekleidungsindustrie

"Wir sind halt eine Frauenbranche - wen interessiert das schon?", so eine Gewerkschafterin, die als Näherin im Ruhrgebiet gearbeitet hatte. Sie arbeitet heute nicht mehr in ihrem Beruf, denn der Arbeitsplatz befindet sich jetzt in China oder Indonesien. Auch dort ist die Bekleidungsindustrie Frauensache - allerdings unter anderen Bedingungen.
In der Weltladenreihe sprach die Politikwissenschaftlerin Ulla Mikota über die Lage der Frauen im Textil- und Bekleidungssektor. Sie stellte die soziale Situation der Frauen in den Schwellenländern der Zweidrittelwelt in den Mittelpunkt, die beim Einkauf von Bekleidung und auf dem internationalen Modemarkt unsichtbar ist. Die Bekleidungsindustrie gilt als "Leichtindustrie", dort sind 80 - 90 Prozent der Beschäftigten Frauen. Sie haben arbeitsplätze in der Vor- und Nachbereitung und verdienen weltweit 30 Prozent weniger als Männer in dieser Branche. Zwar gelten auch in den Ländern Südostasiens und Lateinamerikas Mindestlöhne, dieser werden aber von den multinationalen Konzernen meist unterlaufen.

Die globale Fabrikhalle

Es lohnt sich, weltweit produzieren zu lassen, denn die Transportwege sind kurz und billig, die Kommunikationstechnologie ermöglicht globale Koordination, die Ausbeutung von Frauen zu Minimallöhnen ist ein lukratives Geschäft und weibliche Arbeitskräfte stehen mangels Alternativen reichlich zur Verfügung. Die Weltmarktfabriken in den Freihandelszonen entziehen sich den lästigen Sozialstandards, Kontrollen finden nicht statt. Auch die Heimarbeit und die Aufteilung in Minifabriken durch subcontracting lässt alle Spielräume für unternehmerischen Profitgeist offen. In der Bekleidungsproduktion in den einschlägigen Produktionsländern China, Hong Kong, Indonesien, Phillipinen, den Ländern Mittelamerikas und Indien arbeiten von 14 oder 15 Jahren, sie sind zu Überstunden verpflichtet, was nciht selten zu einem 12-Stunden-Tag führt, wohnen meist auf dem Fabrikgelände, sind Belästigungen und Demütigungen durch männliche Vorgesetzte ausgesetzt und sind meistens nach wenigen Jahren verbraucht. Die Fabrik stößt sie dann ab, um jüngere Mädchen anzustellen.

Die Macht der KonsumentInnnen

Deutschland gilt nicht als besonders modebewußt, steht aber mit 26 kg pro Jahr an der Konsumspitze beim Kleiderverbrauch (Frankreich 16 kg, Weltdurchschnitt 8 kg, Kamerun 0,5 kg).

Verbraucherinnen fragen zunehmend nach der ökologischen Qualität der Bekleidung, die Bedingungen, unter denen das neueste Outfit hergestellt wurde sind allerdings hierzulande noch kaum im Blickfeld der Kritik. Anders in den Niederlanden: Dort wurde 1990 die "Clean Clothes Campaign" gegründet, die sich für "sozial saubere" Kleidung einsetzt und die Produktionsweisen der Bekleidungskonzerne unter die Lupe nimmt. Sie hat eine "Fair Trade Charta" (Charta für faire Handelsbedingungen) entwickelt, die eine Reihe von Forderungen enthält: angemessene Löhne, kein Überstundenzwang, Recht auf gewerkschaftliche Organisation, keine Diskriminierung, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen, keine Kinderarbeit. Geschäftsketten werden aufgefordert, die Charta zu unterzeichnen. Damit verpflichten sie sich, nur Kleidungsstücke zu verkaufen, die unter den entsprechenden Bedingungen angefertigt worden sind. Die Leute von der Kampagne haben Kontrollmechanismen entwickelt, um die Einhaltung der Selbstverpflichtung zu überwachen. Sie treten nun in Verhandlungen mit einzelnen Konzernen.

Welches Interesse sollten die Konzerne wie C&A, Karstadt, Kaufhof, Metro, Hertie, H&M an solch einer Selbstverpflichtung haben?
Die Kampagne setzt auf das Bewußtsein der VerbraucherInnen, denen es nicht gleichgültig ist, wie ihre Klamotten produziert werden und ob Frauen in Asien deshalb krank werden oder am Existenzminimum leben. Die Konzerne haben eine Sensibilität für ihren guten Ruf und reagieren durchaus auf kritische Anfragen von seiten der KundInnen. Eine Verpflichtung für fair produzierte Kleidung kann dann zur positiven Empfehlung für ein Unternehmen werden. Auch die Weltläden arbeiten mit wirtschaftsethischen Zielsetzungen, werben für fairen Handel auf dem Weltmarkt und haben mit dem Label für fair gehandelten Kaffee bereits einige Erfolge zu verbuchen.

Auf dem Wirtschaftssektor der Bekleidung haben Frauen als Käuferinnen von Mode besondere Macht und die Chance, ihre Solidarität mit den Kolleginnen auf dem Weltmarkt zu beweisen. Ein Blick aufs Etikett genügt dafür allerdings nicht, durch Nachfragen beim Einkauf kann den Kaufhäusern und Einzelhändlerinnen schon deutlich werden, dass die Kundinnen sich nicht von der heilen Welt der Modewerbung blenden lassen, sondern "the labour behind the label" zum Thema machen.

Astrid Messerschmidt

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