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http://www.__ , das moderne Sesam-öffne-dich! Ist nicht geheim, sondern jedem zugänglich. Und die Welt, die sich da öffnet, heißt Cyberspace. Man braucht keine besondere Kostümierung, keine Muskelanstrengung, um in diesen verheißungsvoll klingenden Space hineinzuschwingen; nur einen Computer mit Modem; und viel Zeit - die teuer ist - muss man haben. Wenn solche vorhanden, dann also nichts wie Enter!

Der Cyberspace ist! Er ist aber enttäuschend banal. Das viel gerühmte Herumsurfen im Cyberspace entpuppt sich als mühsames Herumwühlen in ungeheuren Mengen von buchstäblich weit-gehend nichtssagenden Informationen. Es ist eben kein Space, kein Raum, in dem man so etwas wie Marsmännchen, - fremd, herausfordernd, faszinieren, - begegnen könnte. Cyberspace ist nur ein anderes Wort für eine elektronische Verbindung der globalen Flut von Information. Wer hineingeht, beginnt eine zeitaufwendige, mühevolle, und oft enttäuschende Sucherei in einem uferlos erscheinenden Informationsfluß, der einer Müllhalde gleicht, wobei man imm nervöser werdend tippt, klickt und auf den Bildschirm stiert, bis vor Anstrengung die Tränen hochkommen. Gewiss könnte man es toll finden, wenn man ikn New York oder Tokyo "landet". Landet man da wirklich? Ob Cyberspace - oder etwas bescheidener auf deutsch -d as digitale Universum: Die Inhalte des Internet sind eine dem eigentlichen technischen Genius nicht gerecht werdende Täuschung, für die wiederum eine täuschende Bezeichnung bereitsteht: die virtuelle Wirklichkeit.

Eine virtuelle Wirklichkeit: ein Zauberwort, das nicht zaubert, sondern verhext, um den Menschen glauben zu machen, es gäbe tatsächlich eine solche Wirklichkeit. Das einzig Wirkliche dabei ist wahrscheinlich die Tatsache, dass es Menschen gibt, die daran glauben. Denn, Wörten machen Illusionen gegenständlich.

Nein, ich bin keineswegs gegen das Internet. Ich fürchte mich nur vor den euphemistischen Wortbildungen, die das Auseinanderklaffen der sogenannten virtuellen Wirklichkeit und der wirklichen Wirklichkeit verschleiern. Bei der Lektüre von Artikeln über das Internet begegnet man unzähligen solcher neuen Wörter, die eine Anfängerin gleichsam einzuschüchtern und zu verzaubern scheinen; Cyberspace, Multimedia, Datenautobahn, Informationsgesellschaft, neuronale Ästhetik der digitalen Welt (was ist das eigentlich?), globales Dorf - und so weiter. Neue Begriffe, die etwas Neues, Besseres, Schöneres heraufbeschwören wollen oder gar versprechen: Anonym, frei, die Zeit-Raum sprengende Möglichkeit, zu jeder Sorte Information Zugang zu haben, die Vernetzung von Politik, Wirtschaft und Kultur, die Vernetzung des individuellen Alltags mit allen erhabenen und unsäglichen Bedürfnissen des "kleinen Mannes" (mehr als 90% der Internet-Nutzer seien männlich, sagen die Kenner).

"Eine der wunderbaren Eigenschaften der Informationstechnik ist, dass virtuelle Gleichheit viel leichter erreichbar ist als wirkliche Gleichheit." (Bill Gates).

Was meint er damit konkret? Kann eine virtuelle Demokratie den Weltfrieden sicher, wie es von manchem behauptet wird? Oder kann nicht doch ein simulierter Krieg zu einem wirklichen Krieg mutieren? Dass auch ein an sich harmloser Computerfreak unter Umständen einen solchen Krieg auslösen könnte, wird im neuen James-Bond gezeigt. Ist das nur eine Fantasterei auf dem Niveau von Jurassic Park, die nicht ernsthaft der Rede wert sein kann?

Nein, ich habe keine Angst vor dem Internet. Ich verusche nur mir vorzustellen, wie die virtuelle Wirklichkeit tatsächlich aussieht: ein Mensch sitzt vor einem Computer. Eine Tatsache. Auf dem Bildschirm flimmern Bilder und Buchstaben: auch eine Tatsache, dabei flitzen für die Augen unsichbar elektrische Impulse: das könnte man auch zu den Tatsachen zählen, die aber auf den Benutzer keinen direkten Eindruck machen. Wenn dieser Benutzer an die virtuelle Wirklichkeit glaubt, glaubt er, dass er dort ist, wo er abgerufen hat, dass er sich unterhält mit dem, den er hergeholt hat, usw. Was er aber in Wirklichkeit sieht, sind nur die Bilder und Buchstaben auf dem Bildschirm. Er kann sich kraft der menschlichen Imaginationskraft - die außerhalb des Computers aktiv ist - in einen imaginären Space versetzen. Er kann glauben, dass er mit einem anderen Menschen kommuniziere,wobei alle individuellen Eigenschaften und Merkmale der Beteiligten völlig inkognito bleiben oder gar gelogen sein können. Womit er kommuniziert, ist nur seine eigene Vorstellung von dem, was er in den Buchstaben auf dem Bildschirm vermutet. Wenn das ihm nicht mehr gefällt, kann er einfach den Computer ausschalten. Nieman ist dabei beleidigt. Diese als "anonyme, individuelle Freiheit" in der virtuellen Wirklichkeit gepriesene Beschäftigung mutet etwas autistisch an. Anders als bei einem echten Autisten, der wirklich eine individuelle Festung um sich baut, hat diese monadenartige Beschäftigung nur ein banales, käufliches Gerät.

Vor vielen Jahren, als das Wort "Vernetzung" noch nicht im Wahrich-Wörterbuch (Auflage 1976) stand, pflegte ein Freund von mir, der psychotisch war, zu sagen: "Die Vernetzung von Menschen untereinander, in der ich verfangen bin, macht mich verrückt." Das kleine Wort, das damals noch niemand so benutzte, imponierte mir sehr, da es die psychischen Interaktionen treffend auszudrücken schien. Umso erstaunter bin ich, jetzt diesem Wort mit einer neuen Bedeutung zu begegnen: die digitale Vernetzung der Informationen, und sie verschont die Menschen vor den direkten Interaktionen miteinander, die krankmachend sein können. Aber wir wird es entwirrt, wenn jemand doch in diesem weltweiten Netz - world wide web - verfangen wird? Unsere persönlichen Daten scheinen bereits über Kreditkarten, Bahncards etc. in einem amerikanischen Datenhaus gespeichert zu sein. Die Kluft zwishcen der virtuellen und der wirklichen Wirklichkeit ist tief, aber nur ein Haar breit.

Also dann, Escape von allem? Nein, das Ding ist eben mal da. Es kommt doch schließlich auf die Anwendung an. Ich vertraue auf meine weibliche Vernunft und Schöpferkraft, die realistisch sind. Nochmal enter!

Hisako Kashiwagi

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