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MATHILDE

Zu Fuß gehen spart oft Zeit

– Glosse –

Jahr für Jahr ärgert mich die aufreiben de Tätigkeit der Steuererklärung, zu der ich "verdonnert" werde. Jahr für Jahr nehme ich mir vor, diese lästige Tätigkeit weniger lange vor mir herzuschieben und die Erklärung beim nächsten Mal abzugeben, bevor mir das Finanzamt mit einer Strafandrohung eine letzte Frist setzt. In der Regel kostet mich eine solche Arbeit mindestens einen ganzen Sonntagnachmittag, an dem ich das schöne Wetter amüsanter hätte nutzen wollen. Und mein grundsätzlicher Widerwille hilft nicht, die Sucherei nach den vielen Belegen zu beschleunigen.

Wen wundert's da, daß mich als neugebackene CD-Rom-Laufwerks-Besitzerin die vielen Angebote locken, die Anfang des Jahres in den Computerabteilungen in den verschiedensten Variationen versprechen, vom Finanzamt mit vielen, vielen Tricks und Tips und mit Spaß mein Geld zurückzuholen. Die Auswahl ist nicht leicht. Ich schaue mich in der Abteilung um. Als ich das Kaufhaus verlasse, habe ich doch geschlagene 5/4 Stunden nach dem Richtigen gesucht.

Zum ersten Mal freue ich mich auf die Steuererklärung. Die paar Zehnmarkscheine ist mir das Vergnügen wert. (»Frau gönnt sich ja sonst nichts!«) Ein dickes Buch mit 450 Seiten ist der kleinen runden Scheibe beigefügt, oder liegt die CD-Rom dem Buch bei? – Noch am gleichen Abend mache ich mich an die Arbeit. Wie muß ich das Programm installieren? Ich greife zum Buch und finde alles genau beschrieben. Doch da lese ich, daß ich 14 MByte freien Speicherplatz benötige. Also fange ich an, meine Festplatte aufzuräumen und vorsichtig Platz zu machen. Schließlich möchte ich keine Dateien löschen, die ich vielleicht noch brauche. Nach 1œ Stunden bin ich so weit, doch heute Abend habe ich keine Zeit mehr. Morgen ist auch noch ein Tag.

Die Installation am anderen Tag klappt wie am Schnürchen. Die Programmierer haben sich wirklich etwas einfallen lassen. Zum Programm gehört ein Computerspiel »Im Steuer-Dschungel«. Selbstverständlich probiere ich es aus. Da brüllen Löwen, lachen Affen und plätschert Wasser, während ich versuche, die Steuerfragen zu beantworten und mich dem Ziel zu nähern. Daß viele Fragen nichts mit meiner speziellen Steuererklärung zu tun haben, macht doch nichts, oder? Auch an diesem Abend komme ich nicht dazu, die eigentliche Arbeit anzugehen. Zwei Stunden Spielen hat doch Freizeitwert, oder etwa nicht?

Am nächsten Abend soll endlich die eigentliche Arbeit angegangen werden. Ich schlage im Buch das Kapitel »Der schnellste Weg zur Steuererklärung« auf. Da wird empfohlen, sich zuerst ein Konzept zu machen, was auf den nächsten Seiten beschrieben ist. Nach 41 Seiten fallen mir die Augen zu. Im Traum sitze ich vor einem dicken, fetten PC, der sich zur Seite wendet und lacht. Lacht er am Ende über mich? An den nächsten Abenden versuche ich das Prinzip der Assistenten zu verstehn (für mich sind sie nur bedingt brauchbar), schaue mir die mitgelieferten Videos an (na, ja!) und mache mich mit dem Taschenrechner des Programms vertraut (bisher bin ich mit meinem Hand-Taschenrechner eigentlich zufrieden gewesen). Doch da gibt es auch noch ein Adreßbüchlein. Aber wozu? Um die Anschrift meines Finanzamtes einzutragen?

Nach einer Woche Herumprobiererei habe ich das Programm so ziemlich verstanden, es ist kein »Buch mit sieben Siegeln« mehr. Jetzt könnte ich mit der Steuererklärung endlich anfangen. – – – Ich gehe auf Nummer sicher und hole mir Bleistift, Radiergummi, Schmierpapier, die wärend des Jahres gesammelten Belege, die vom Finanzamt zugeschickten Vordrucke, setze mich an den Küchentisch und fülle Zeile für Zeile die Seiten aus.

Jetzt weiß ich es genau: Meine in den vielen Jahren erworbene Vorgehensweise beim Ausfüllen der Formulare war so schlecht gar nicht. Nur einen Sonntagnachmittag brauche ich, um die ganze Steuererklärung zu machen. Und hinterher bleibt mir Zeit, noch einmal das Computer-Spiel »Im Steuer-Dschungel« zu spielen.

Margret W.-Simon

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