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Augusta Ada Byron

Countess of Lovelace - eine Computerpionierin

Ada Byron wird als Tochter von Anna Byron und dem Dichter Lord Byron 1815 in England geboren. Zwei Monate nach ihrer Geburt lassen sich ihre Eltern scheiden. Da ihr Vater England nach der Trennung verläßt und bis zu seinem Tod (1824) nicht mehr zurückkehrt, lernt Ada ihn nie kennen. Sie verbringt ihre Kindheit bei ihrer zurückgezogen lebenden Mutter. Diese kümmert sich auch um Adas Erziehung. Anna Byron hatte selbst Algebra, Geometrie und Astronomie bei dem Cambridger Universitätslehrer William Fend studiert, und sorgt dafür, dass auch Ada sich schon früh mit Mathematik und Naturwissenschaften beschäftigt. Dies ist eher ungewöhnlich für die Zeit, ist doch das normale Bildungsprogramm für die Töchter der "upper class" am Konzept der "Lady" orientiert. Sticken und andere Handarbeiten stehen am Vordergrund.

Anna Byron gibt Ada eine sorgfältige Erziehung und Ausbildung, und diese wendet sich mit ihren ersten wissenschaftlichen Fragen an ihre Mutter sowie an deren damaligen Lehrer Fend. Mit vierzehn Jahren beherrscht Ada bereits Mathematik, Astonomie, Latein und Musiklehre. Kurze Zeit später ziehen Ada und ihre Mutter in die Nähe von London, in die Nachbarschaft von Mary Sommerville, einer bekannten Mathematikerin. Mit siebzehn nimmt sie sich vor, eine bedeutendere Mathematikerin wie Mary Sommerville zu werden. Beide Frauen treffen sich regelmäßig, und als Mary Sommerville später wegzieht, bleiben beide in Briefkontakt. Ada wendet sich mit ihren mathematischen Fragen an die Mathematikerin, die Adas Forscherdrang unterstützt und sie in die wissenschaftlichen Zirkel der damaligen Zeit einführt.

Der Mathematiker Charles Babbage, der später die erste Rechenmaschine erfinden wird, ist eine der Hauptfiguren im Kreise des wissenschaftlichen Zirkels. Ada lernt ihn 1833 kennen.

Mit 18 Jahren besucht sie technische Ausstellungen und Vorträge zu wissenschaftlichen Themen und versucht vor allem, den Kontakt zu Charles Babbage zu vertiefen. Auf einer dieser Gesellschaften nimmt sie an der Verleihung der "difference engine" teil.

Ada ist eine außerordentlich ehrgeizige junge Frau. 1833 und 1834 besucht sie Vorlesungen zur "difference engine" und unterrichtet Arithmetik an Berufsschulen, die von ihrer Mutter gegründet wurden. Ein Jahr später, 1835, heiratet sie den vierzehn Jahre älteren Lord King, der später zum Earl of Lovelace ernannt wird. Durch ihre Heirat und ihre drei Kinder ist Ada stark in Anspruch genommen und hat wenig Zeit, sich der Wissenschaft zu widmen. Nach einer schweren Erkrankung 1837 ist Ada noch mehr vom gesellschaftlichen Leben abgeschnitten, und der Kontakt zu den wissenschaftlichen Zirkeln bricht fast völlig ab. Nur Charles Babbage besucht sie in ihrem Landhaus. Er hatte, unzufrieden mit dem Verlauf der Arbeiten für die "difference engine", Pläne für eine weitere, leistungsfähigere und breiter einsetzbare Rechenmaschine entworfen, die "analytic engine". Ada verfolgt die Entwicklung und ist fest entschlossen, ihre mathematischen Studien fortzusetzen.

Zunächst ist Ada enttäuscht und erbittert, da es unmöglich erscheint, einen geeigneten Mathematiklehrer zu finden. Der Zugang zu Universitäten ist ihr als Frau verwehrt, und ohne Lehrer hat selbst die begabteste Studentin keine Aussicht, irgendetwas zu erreichen. Sie träumt davon, bei Charles Babbage selbst zu studieren, aber dieser ist vollauf beschäftigt, Geld für die Entwürfe und Ausführungen seiner Rechenmaschine und für die Gründung wissenschaftlicher Gesellschaften aufzutreiben.

1840 nimmt die 25-jährige Ada mit Augustus de Morgan, Professor an der neugegründeten Universität London, eine regelmäßige mathematische Korrespondenz auf. Zwei Jahre später übersetzt sie einen gerade veröffentlichten Artikel des italienischen Ingenieurs Luigi Menebrae über die Prgrammierung und den Bau der analytischen Maschine ins Englische. (...)

Ada LovelacŽs Übersetzungen und Notizen werden 1843 in "TylorŽs Scientific Memoirs" publiziert, wobei Babbage der Meinung ist, ihre Notizen hätten einzeln erscheinen sollen. Obwohl Ada Lovelace die Anerkennung der Leistung durchaus für sich in Anspruch nehmen will, zeichnet sie nur mit ihren Initialen, denn es gilt für Damen der Aristokratie als unschicklich, unter eigenem Namen zu publizieren. In den ersten ihrer sieben Bemerkungen unterscheidet Ada Lovelace zwischen der "Differenziermaschine" und der "analytischen Maschine". Die Differenziermaschine ist ein mechanischer Apparat zur Zusammenstellung und Aufzeichnung von Tabellen mathematischer Funktionen, die auf Addition beruhten, mit Hilfe der Methode der endlichen Differenzen. Die "analytische Maschine" ist völlig anders. Sie beruht auf einem viel komplizierteren Konzept, kann addieren, subtrahieren, multiplizieren und dividieren und ist in den Plänen so ausgelegt, dass sie mit Lochkarten programmiert werden kann.

Adas Beitrag besteht in der Programmierung des analytischen Apparats. Sie entwickelt verschiedene Programme zur Ausführung mathematischer Berechnungen.

Vor allem aus der heutigen Perspektive der Software- und Computerprogramme erhalten ihre Anmerkungen eine neue Bedeutung. Drei Aspekte sind hier zu nennen:

- Sie beschreibt jenseits der technischen Details die Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung von Computern über Rechenoperationen hinaus, beispielsweise für musikalische Anwendungen, allerdings weist sie auf mögliche Probleme hin:
"Es ist wünschenswert, vor übertriebenen Vorstellungen in Bezug auf die Möglichkeiten des Apparats zu warnen (...). Die analytische Maschine maßt sich in keiner Weise an, etwas Neues zu schaffen. Sie kann das ausführen, was wir zu programmieren imstande sind, sie kann der Analyse folgen, sie kann keine analytischen Bezüge oder Realitäten vorausnehmen. Ihre Aufgabe ist es, uns zu helfen, das verfügbar zu machen, was wir schon wissen. (...) Daneben wird sie vermutlich einen indirekten und wechselseitigen Einfluß auf die Wissenschaft selbst ausüben. Denn indem wir die Wirklichkeit und die Formeln der Analyse so verteilen und kombinieren, dass sie der mechanischen Auslegung der Maschine am direktesten und schnellsten zugänglich sind, werden sich Bezügen und Wesen vieler wissenschaftlicher Gegenstände in neuem Licht zeigen und gründlicher untersucht werden." (Morrison)

- Ihre Anmerkungen lassen sich lesen als eine Beschreibung wie die analytische Maschine programmiert werden sollte, d.h. als ein frühes, "erstes Handbuch" zur Computerprogrammierung.

- Als Anschauungsbeispiel für die Programmierung der analytischen Maschine dient ein "Programm" zur Berechnung der Bernoulli-Zahlen. Darin lassen sich schon grundlegende Konzepte auch heutiger Programmiersprachen entdecken, wie der Schleife, der Unterroutine und des bedingten Sprunges.

Lady Lovelace hat demnach nicht (nur) die Ideen eines anderen beschrieben. Sie hat eigenständige Leistungen erbracht. Damit erscheint sie nicht nur als Vorläuferin aller ProgrammiererInnen, sondern auch als erste Frau, die einen wesentlichen Beitrag zur Computerwissenschaft geleistet hat. In der Zeit nach ihrer Veröffentlichung klagt Ada wiederholt darüber, dass sie wegen ihrer Kinder nicht wissenschaftlich arbeiten könne. Der Zugang zu Büchern und Manuskripten, ihren wichtigsten Arbeitsmitteln, gestaltet sich schwierig, da sie als Frau zu den Bibliotheken keinen Zugang hat. Ada Lovelace selbst bittet in einem Brief Greig Sommerville, Mitglied in der Royal Society und Mann von Mary Sommerville, dass er für sie um die Erlaubnis nachsuchen sollte, frühmorgens die Bibliothek zu benutzen, da, wie sie schreibt, der Sekretär ein verschwiegener Mann sei, der nichts ausplaudern würde. Doch die Königliche Gesellschaft ist nicht bereit von der Regel, die den Frauen den Zutritt verbietet, eine Ausnahme zu machen. Daraufhin lässt sich ihr Mann in die Royal Society aufnehmen und schreibt für sie minutiös die Zeitschriften und Bücher ab. So erhält sie Zugang zu den Informationen, die sie dringend benötigt.

Um so höher ist ihre Leistung zu bewerten. Entschlossen, ausdauernd und geduldig geht sie neben ihren häuslichen und sozialen Verpflichtungen ihrem wissenschaftlichen Interesse nach.

Allerdings stößt ihre zeitraubende wissenschaftliche bei ihren Zeitgenossen auf Widerstand. Im Gegensatz zu den Männern, bei denen es selbstverständlich ist, dass sie bei ihrer Zeiteinteilung den Beruf und die Wissenschaft in den Vordergrund stellen, ist bei Frauen eine solche Setzung von Prioritäten nicht sozial und gesellschaftlich anerkannt.

Sie kann nicht wie die Männer sozial anerkannt bei der Verwendung ihrer Zeit Priorität für wissenschaftliche Arbeit einfordern. Ada muss sich vielmehr vorwerfen lassen, ihre Kinder zu vernachlässigen, sich aus sozialen Verpflichtungen zurückzuziehen und wenig für "schöne Kleidung" übrigzuhaben.

Die meisten Wissenschaftlerinnen der damaligen Zeit sind bescheiden und anspruchslos. Ada Lovelace hingegen ist stolz auf ihre eigene Leistung und betont dies auch. So schreibt sie im Juli 1843 "ich kann mich nicht enthalten, mein eigenes Kind zu bewundern. Am meisten beeindruckt mich der prägnante und kraftvolle Stil. Zeitweise scheint da eine halb satirische, humorvolle Trockenheit durch, die aus mir einen formidablen Rezensenten machen würde. Ich bin ganz erschlagen von der Kraft meiner Schreibweise. Sicher ist es ganz und gar kein weiblicher Stil, doch kann ich ihn auch nicht mit dem irgendeines Mannes vergleichen."

Auch wenn sich Ada Lovelace der Erforschung der "Mathematik der Gehirnfunktion (Kybernetik) zuwendet, so gilt ihr zentrales Hauptinteresse immer noch der analytischen Maschine. Sie hofft, mit Babbage zusammen die analytische Maschine zu einem praktikablen Prototypen weiterentwickeln zu können. Die Pläne für die Maschine übersteigen allerdings bei weitem die Möglichkeiten der damaligen Präzisionstechnik, so dass die analytische Maschine in dieser Zeit nicht gebaut werden kann.

Schon mit 18 Jahren hatte Ada Lovelace ihre Leidenschaft für Pferdewetten entdeckt. Sie überredet ihren Mann und Charles Babbage sich an einem unfehlbaren Gewinnsystem für Pferderennen zu beteiligen. Der Earl of Lovelace steigt allerdings noch rechtzeitig wieder aus, um seine Verluste in Grenzen zu halten. Seine Frau hingegen verstrickt sich in Erpressungsgeschichten und es braucht jahrelange Bemühungen des Earl of Lovelace, der Lady Byron und des Sohnes von Mary Sommerville, des Rechtsanwaltes Woronzow Greig, den finaziellen Schaden in etwa auszugleichen und ihren guten Ruf wiederherzustellen. Ada kann das Wetten nicht sein lassen und versetzt den Familienschmuck ohne Wissen ihres Mannes.

1843 erkrankt Ada Lovelace unheilbar an Krebs. Ihre Mutter behandelt sie mit Aderlaß und Opiumtinktur. Zusätzlich bekam sie als Anregungsmittel Alkohol. Als Folge davon wird sie alkohol- und drogenabhängig. Als sie sich schließlich erholt, beginnt sie sich mit Chemie und Elektrizität zu beschäftigen. Ihre Krankheit wird ihrer "enormen geistigen Anspannung" zugeschrieben und darauf zurückgeführt, dass mathematische Fähigkeiten die physischen Kräfte einer Frau generell übersteigen. Sie selbst schreibt Sophia de Morgan, dass ein Faktor unter vielen für ihre Krankheit zu viel Mathematik gewesen sei. Auch Professor de Morgan pflichtet dieser Ansicht 1844 in einem Brief an Lady Byron bei:

"Die Kraft des Denkvermögens, die Lady L. In dieser Materie (Mathematik) seit dem Beginn unserer Korrespondenz an den Tag legt, ist so völlig außerhalb des Normalen. (...) Aber diese Kraft muss von ihren Freunden richtig eingeschätzt werden bei der Frage, ob sie Ada in ihrer offensichtlichen Entschlossenheit, die jetzigen Grenzen des Wissens nicht nur zu erreichen, sondern zu sprengen, ermutigen oder zurückhalten sollen. Die enorme geistige Anspannung, die sie (die mathematischen Studien) erfordern, übersteigt die physischen Kräfte einer Frau (...)" (Alic)

Unheilbar stirbt sie 1852 im Alter von 36 Jahren.

Brigitte Pientka

mit freundlicher Genehmigung (Hexpress)

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