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MATHILDE

Das I und das N

oder

Die Sprachreform

Glosse

Die deutsche Sprache ist eine patriarchalische Sprache. Das hat sich langsam herumgesprochen. Und immer mehr Frauen wehren sich dagegen, bei männlichen Verallgemeinerungen natürlich mitgemeint zu sein, und, wenn's aber konkret wird, außen vor gelassen zu werden.

Doch was nützt es, wenn einsichtige Männer den Frauen recht geben, an ihrem Sprachverhalten aber nichts ändern? Das sitzt ja so tief in den Köpfen und in den Gewohnheiten. Da geht ohne Nachhilfe nichts, rein gar nichts. Schlimm vor allem ist, dass es ja gar nicht nur die Männer sind, die unsere Sprache trotz bewiesener Fehler in den eingefahrenen Wegspuren weitergebrauchen. Nein, auch wir Frauen vergessen immer wieder, dass wir ein eigenständiges weibliches Geschlecht haben und unsere Sprache dies auch ausdrücken kann. Doch zum Glück gibt es problembewusste Frauen, die nicht gedankenlos daherreden, sondern ihre Worte sehr sorgfältig wählen, ebenso aufmerksam den Sprachgebrauch der andern kontrollieren und diesen, wenn's nötig wird, freundlichst korrigieren. Was wäre, wenn diese tägliche, mühsame Kleinarbeit von ihnen nicht erledigt würde? - Leider muß ich reuig an meine Brust klopfen: Ich bin zum Beispiel gar nicht dankbar, wenn ich in einer Sachdiskussion mehr an die Sache als an die Formulierung denke, mir dann einer dieser schlimmen Fehler passiert und ich prompt einen freundlichen Sprachhinweis bekomme. Die Göttinnen mögen mir meine Undankbarkeit verzeihen!

Als ich neulich eine Freundin anrief und sich "hier ist die automatische Anrufbeantworterin" meldete, kam ich dann aber doch ins Grübeln. Wenn das sooo ist!!! Ich staunte und dachte, einer solchen Konsequenz ist wirklich nichts hinzuzusetzen. - Oder doch?

Wie wäre es, wenn ich ab sofort meine Tellerinnen in die Schränkinnen stellen und nie mehr vergessen würde, die Abfällin in die Mülleimerin zu werfen, wenn ich aus dem Haus gehe?

Doch irgendetwas stört mich noch an meiner Idee. Da ist etwas schief. Was kann das sein? -

Wenn ich immer darauf achte, dass ich Bundesbürgerin, Patientin, Arbeitnehmerin, Kundin, Schreiberin usw. bin, dann tät's doch stimmen! Aber warum soll ich mich damit zufrieden geben, meinen "kleinen Unterschied" mit einem angehängten IN auszudrücken? Ist der Unterschied zwischen Mann und Frau nicht ein ganz anderer, als mit einem I und einem N ausgedrückt werden kann?

Ich habe eine Idee! - Wir lassen das mit dem Anhängsel "I" und "N" sein. Die deutsche Sprache sollte reformiert werden:

  • Alle Sachen bekommen den dritten Artikel, den sächlichen, der ihnen zusteht.
  • Alle Personen - und auch Tiere könnten einbezogen werden - bekommen den Artikel, der ihr Geschlecht ausdrückt.

Ich würde dann als die Patient von dem oder der Arzt behandelt, würde das Teller und das Tasse in das Schrank räumen, bei meiner Freund auf das Anrufbeantworter sprechen und mit frohem Herzen das Tag beginnen?

Ach, ich fürchte, auch dieser Vorschlag gefällt euch nicht. - Aber was bleibt uns? Was können wir tun?

Margret W.-Simon

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