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Mehr Gerechtigkeit für Frauen!

Kurz-Interview mit Frau Prof. Dr. Luise F. Pusch

Während eines Vortrages der streibaren feministischen Sprachwissenschaftlerin Frau Professorin Dr. Luise F. Pusch im Frankfurter Literaturhaus am 13. November nutzte unsere pfiffige die günstige Gelegenheit für einige Fragen.

 

Was wir gerne von Ihnen wissen möchten, Frau Dr. Pusch: Gibt es ein zündendes Erlebnis, eine Auslösesituation, die Sie auf Ihren Weg der weiblichen Sprachfindung gebracht hat?

(L. F. P lacht) Ja, das war der Aufsatz von Kalverkämper gegen meine Kollegin Senta Trömel-Plötz im Jahre 1978. Sie hatte 78 den ersten Aufsatz zum Thema veröffentlicht, überhaupt den ersten in Deutschland. In den USA hat es das schon zehn Jahre gegeben, sie brachte das Thema von da mit herüber. Danach erschien in derselben Zeitschrift ein sehr polemischer und auch dummer Artikel von einem männlichen Kollegen. Ich hatte mich bis dahin neutral verhalten, obwohl Frauen immer mal wieder gemeint hatten: "Du musst dich doch darum kümmern, du bist doch Feministin." Ich fand dieses Thema aber nicht so zwingend wie andere.
Gegen die Polemik des Herrn Kalverkämper habe ich eine Verteidungsschrift verfasst, auch weil damals noch sehr viele falsche Meinungen über feministische Linguistik im Umlauf waren. Während dieser Arbeit merkte ich, dass dies ein unglaublich spannendes Gebiet ist und habe immer mehr gemacht. Allerdings kriegte ich auch immer mehr Ratschläge, dass ich das doch lassen sollte, ich würde meiner Karriere schaden. Es hat auch meiner Karriere geschadet, aber dafür eine ganz andere ermöglicht! Ja, also: Beginn durch Verteidung einer anderen Frau!

Gab es in Ihrer Kindheit oder Ihrer Jugend schon irgendeinen Hinweis darauf, dass Sie sich später einmal mit Sprache und Literatur beschäftigen würden?

Ja, meine Mutter ist sehr sprachbewusst und hat uns alle sehr sprachbewusst erzogen. Ich komme aus einer Familie von Leuten, die sich viel mit Sprache beschäftigt haben. Da waren sehr viele Theologen - keine Theologinnen - es war eine missionarische Familie. Die Sprachwissenschaft hat sich ja fast als ein Zweig des Missionswesens entwickelt. Da war es erstes Anliegen, fremde Sprachen zu studieren, um Gottes Wort den zu Missionierenden in ihrer eigenen Sprache beizubringen. Daher haben die Missionare viel mehr Sprachen gelernt als andere. Mein Großvater hat eine Grammatik geschrieben in einer ganz kleinen unbekannten Sprache aus Sumatra. Meine Mutter, wie gesagt, sehr sprachbewusst - ich hab das wohl am aufmerksamsten gehört, was sie gesagt hat. Ich habe während meiner Kindheit viel Radio gehört und besonders Sprachsendungen. Sprache und Literatur hat mich immer sehr interessiert.

Hat sich infolge Ihrer Arbeit Ihr Verhältnis zu Männern verändert?

Mein Verhältnis zu Männern war schon immer eher neutral. Ich bin Lesbe und habe, außer in WGŽs und mit meinen Brüdern und meinem Stiefvater, mit Männern privat nicht viel zu tun gehabt. Mein Verhältnis zu Männern war wahrscheinlich immer kritischer als das von Hetero-Frauen. Es hat sich aber mein Verhältnis zu Kollegen sehr geänder.t Ich hatte diese bzw. die Wissenschaft als solche, doch immer ernst genommen und gedacht, es kommt da an auf Innovation usw., stellte dann aber fest, es kommt auf Macht an! Auf Macht und die Verteidigung von eigenen Interessen. Je mehr ich die Interessen von Frauen verteidigte, um so mehr war ich draußen.

Woran arbeiten Sie im Moment?

Ich arbeite immer an verschiedenen Projekten. Jedes Jahr arbeite ich natürlich an meinem Kalender, das lässt sich nicht verschieben, hat erste Priorität. Um den machen zu können, arbeite ich ständig an meiner Frauen-Datenbank, in der ich immer wieder auffülle, was neu erforscht worden ist. Ich habe gerade das Buch "Wahnsinns-Frauen II" fertig gemacht, einen Aufsatz geschrieben über Charlotte Perkins Gilmore und hierzu das Nachwort beendet. Wir planen jetzt "Wahnsinns-Frauen III". Da müsste ich jetzt die Frauen heraussuchen und die Mitarbeiterinnen anschreiben. Dann möchte ich ein Sprachbuch machen - ich habe in den letzten drei bis vier Jahren etliche Artikel über Sprache verfasst, die ich wieder in einem Sammelband zusammenfassen möchte. Un dann arbeite ich auch noch an einem belletristischen Werk, aber das ist ganz in den Anfängen.

Frau Pusch, was wäre denn idealweise das Ziel, das Sie mit Ihrer Arbeit erreichen möchten, Ihr Lebensziel?

Mehr Gerechtigkeit für Frauen!

Ein wunderschöner Schlusssatz. Frau Dr. Pusch, wir danken Ihnen herzlich für dieses Gespräch.

Christel Maria Fuchs

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