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Sie hebt zwei Waschmaschinen

Portrait einer Athletin

Einmal Weltmeisterin werden ist ihr großer Traum. Seit elf Jahren trainiert sie dafür. Anita Thimm aus Groß-Umstadt ist Kraftdreikämpferin und hat im Oktober bei der Weltmeisterschaft in Kopenhagen den vierten Platz bei den Seniorinnen belegt.

"Es lag daran, dass ich vorher die aktive Meisterschaft mitgemacht habe. Da kann ich nicht eine Woche später Höchstleistung bringen." Für Anna Normalverbraucherin sind die Gewichte, die sie stemmt und hebt auch ohne Weltmeisterinnentitel unglaublich. Kniebeuge, Bankdrücken und Kreuzheben sind die drei Disziplinen, in denen die 45-jährige ihre Muskelstärke zeigt.

Kniebeuge hört sich doch einfach an, denkt frau, wenn sie es zum ersten Mal hört. Die Sportlerin, 164 Zentimeter groß und einundfünzig Kilo schwer, hat aber 120 Kilo Gewicht auf ihren Schultern. Eine Kniebeuge sieht dann folgendermaßen aus: Aus einem Gestell lädt sie sich die Metallstange auf die Schultern. Rechts und links hängen die Gewichte in Form von Scheiben. So beschwert macht sie eine Kniebeuge. Runter und wieder hoch. Sieht ganz einfach aus.

Das Problem, sich mit diesen Gewichten Schaden zuzufügen, sieht Anita Thimm nicht: Die Verletzungsgefahr verringere sich, wenn frau ein "vernünftiges" Training mache. So eine Leistung "geht nicht von heute auf morgen". Zur Vorbeugung trägt sie einen superfesten Gürtel und Bandagen an den Gelenken. Verletzt hat sie sich aber erst einmal vor elf Jahren. Da fiel sie dann für einige Wettkämpfe aus. Zur Leistung fügt sie, vorsichtig das Thema Doping anschneidend, hinzu: "Ich bewältige schon eine Menge", aber wichtig sei es für sie, "ohne Mittel zu arbeiten". Ein Masseur bestätigte ihr, "gar nichts an der Wirbelsäule zu haben".

Angefangen hat alles vor elf Jahren mit einem ganz normalen Besuch im Fitnesstudio - ganz ohne Ehrgeiz. Nach einiger Zeit hat sie gereizt, "dass du siehst, was du als Frau drücken und heben kannst."

Beim Bankdrücken stemmt sie liegend siebzig Kilo mit den Armen in die Höhe. Sie hat dazu einen speziell für ihr Gewicht gefertigten roten Body aus extrem schwer dehnbarem Material an, der den Muskeln beim Anspannen von außen einen Gegendruck bietet. Wiegt sie mehr als einundfünzig Kilo, passt sie nicht mehr hinein. Vor jedem Wettbewerb muss sie fünf Kilo runterhungern. Das sei nötig, erklärt die Sportlerin, da sie sonst gar keine Chance habe. In der Wertung gibt es Relativpunkte: Die gehobenen und gestemmten Gewichte werden in Bezug zum Körpergewicht gesetzt.

Schmal und klein sieht die Athletin aus. Um ihre Muskeln spannt sich die Haut. Wo sie noch etwas herunterhungern kann, ist mir unklar. Dennoch gibt es wochenlang vor dem Wettkampf mogens und mittags nur etwas Reis und Quark. Danach steht nur noch ein Joghurt auf dem Speisezettel. Dazu trinkt sie bis zu vier Liter Flüssigkeit. Einen Tag vor dem Wettkampf trinkt sie dann kaum noch etwas. Wie sie das aushält? Das mache ihr gar nicht, auch das Kochen nicht für ihren Mann und Sohn und Eltern. Nur ein einziger Verzicht stimmt sie traurig: Ich esse so gern Eis, verrät sie.

Ihre Lieblingsdisziplin ist Kreuzheben. Die zierliche Sportlerin hebt vom Boden glatte 160 Kilo. Das sind rechts und links an der Metallstange jeweils soviel wie eine Waschmaschine. In Konkurrenz mit ihrem Mann tritt Anita Thimm nicht. Der freut sich, wenn sie die Wasserkästen, eine links, einen rechts, spielend selbst trägt. Bei alledem ist sie sich sicher, das Richtige für sich zu tun. Dann gibt es da noch den ganz normalen Alltag. Der beginnt um sechs. Nach dem eigenen Haushalt versorgt sie ihre pflegebedürftige Mutter und auch noch den Haushalt der Eltern. Um ihre Mutter zu versorgen, hörte sie auf, als Metzgereiverkäuferin zu arbeiten. Wenn nach dem Mittagessen noch ein wenig Zeit bleibt, macht sie liebend gerne Gobelinarbeiten. Ebenso ruft die Gartenarbeit, die sie als angenehmen Ausgleich empfindet. Um 17 Uhr geht sie zweieinhalb Stunden trainieren. Abends braucht ihre Mutter nochmals ihre Hilfe, um ins Bett zu gehen.

Demnächst hat sie etwas Besonderes als Kraftdreikämpferin vor. Gemeinsam mit einer Freundin möchte sie ihre Kräfte mit zwei Männern messen. Relativ gerechnet. Versteht sich.

Barbara Köderitz

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