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MATHILDE

Die Schule des Sports

Sport war immer mein Lieblingsfach in der Schule, Klar, ich ging ja auch zwei bis drei mal die Woche zum Training, hechelte mir die Lunge aus dem Leib, um mich am Wochenende in bester im Wettkampf messen zu können. Dennoch blieben meine sportlichen Erfolge in der Schule immer in der zweiten Reihe - in der Reihe der Mädchen halt. Da die Jungs nun mal ganz eindeutig bessere Leistungen zeigten, so die Sportlehrer, mussten sie natürlich in eine andere Notenstufe eingeordnet werden. Da blieb selbst für die Besten unter den Mädchen immer nur die Note zwei übrig. Inzwischen sind einige Jahre ins Land gegangen, so dass meine Neugier groß war, wie es den Mädchen heute ihrer Meinung nach im Schulsport ergeht.

Am auffälligsten war die Entwicklung der Meinung in Bezug auf gemeinsamen Sportunterricht. Die 10- bis 11jährigen waren sich noch recht einig, dass sie lieber ohne Jungen Sport hätten. Dementsprechend lang fiel ihre Liste der Nachteile beim gemeinsamen Unterricht aus: von ausgelacht werden, über körperliche Aufdringlichkeit, gegen die sie sich machtlos fühlten, über die Angewohnheit der Jungen, beim Wählen von Mannschaften bevorzugt Jungen auszusuchen, bis hin zu der Wahrnehmung, dass Jungen das Vorurteil hätten, "die Mädchen können das doch gar nicht". Als positive Auswirkung von gemeinsamen Sport nannten sie nur die größere Herausforderung zu Leistung.

In der Altersstufe der 12- bis 13jährigen kam die Idee eines Sportunterrichts ohne Jungen nicht mehr vor, obwohl ihnen die größere Stärke der Jungen, der unvermeidbare Körperkontakt und die Auswahl von Spielen, in denen Mädchen schlechter sind, als negative Begleiterscheinungen auffallen. Sie finden jedoch mehr Vergnügen am Unterricht zusammen, schätzen die Möglichkeit, Jungen besser kennenzulernen und mit ihnen gemeinsam bessere Mannschaften bilden zu können.

Wie eine Symbiose aus den Meinungen der beiden jüngeren Klassenstufen erscheinen die Antworten der 17- bis 18jährigen. Sie wollen mit und ohne Jungen Sport treiben. Atnworten wie: "Vielleicht wäre ohne mal gut", oder "Wenn Jungs Mädchen nicht ausschließen und gleichberechtigt behandeln, dann ja." Oder "nur bei gleicher Anzahl" spiegeln eine Vielfalt von gemachten Erfahrungen wieder. Ebenso breit gefächert sind die erlebten Vorteile: Vielfalt der Sportarten nimmt bei gemeinsamen Unterricht zu, es macht mehr Spaß, die Chance sich wechselweise etwas beizubringen ist geboten, namentlich Tricks, die anscheinend nur den Jungs geläufig sind, der "natürliche" Umgang (Kameradschaftlichkeit) miteinander kann geprobt werden und letztendlich sind die Jungen ja auch sehr nützlich beim Aufbau von Geräten. In Anbetracht dieser vielen guten Seiten erscheint die Auflistung der Unanehmlichkeiten lang: Angst vor Blamage, Hemmungen, Bevorzugung der Jungen durch den Lehrer, Rücksichtslosigkeit, geringe Akzeptanz von Mädchen und nicht zuletzt die erlebte Gleichsetzung von unsportlich und dumm.

Erstaunlich bei den Antworten aller Altersstufen war, dass nach wie vor ca. Die Hälfte der Befragten an die Existenz von Frauen- und Männersportarten glaubt. So ordnen sie den Jungen allae Mannschaftssportarten oder Spiele mit dem Ball zu und den Mädchen die Individualsportarten oder Turnen, Tanzen, Gymnastik. Nach ihrer Meinung hängt das mit der unterschiedlichen Körperkraft von Jungen und Mädchen zusammen.

Schließlich bleibt noch die Frage nach der unterschiedlichen Bedeutung des Schulsports für Jungen und Mädchen. Die Jüngeren sahen noch keinen Unterschied, während sich die Meinungen den Ältesten klar gruppierten. Mädchen finden im Sport eine Möglichkeit zu Spaß oder Jux oder auch zum lockeren Beisammensein. Für Jungen ist der Sport aus ihrer Sicht mit einer Vielzahl an Dingen befrachtet. So betrachten sie ihn als Krafttraining, frönen ihrem Ehrgeiz nach noch besserer Leistung, fördern Geltungsdrang zutage. Sie scheinen ohne sportlichen Erfolg keine Anerkennung in ihrer Clique zu erhalten, andererseits führt eine gute sportliche Leistung automatisch zu Beliebtheit. Außerdem stehen die Jungen in dem Ruf zu debattieren und sich auf Regeln zu berufen.

Betrachte ich mir nun dieses Stimmungsbild, das von einer kleinen Gruppe von ca. 40 Mädchen gewonnen wurde, so läuft mir ein leichter Schauder den Rücken herunter. Die letzten 15 Jahre mit all ihrer Erforschung von Mädchen- und Frauenbiografien, ihren Entwicklungsgeschichten und Problemen bei der Überwindung von Hürden scheinen am Schulsport vorbeigerannt zu sein. Mädchen tanzen und turnen in der ersten Reihe, doch spielen sie nur eine Rolle in der zweiten Riege der Teams. Alleine sind wir stark? - oder wie war das?

Anja Spangenberg

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