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IVF - Alptraum oder Verheißung?

Ich bin eine Frau, 42 Jahre alt und ungewollt kinderlos. Mit meinem Mann zusammen habe ich versucht, durch die sogenannte In Vitro Fertilisation (IVF, Befruchtung im Reagenzglas) ein Kind zu bekommen. Meinem Bericht über diese Behandlung möchte ich vorwegschicken, dass meine ersten Versuche mit IVF schon acht Jahre zurückliegen und dass sich wahrscheinlich einige Elemente der Behandlung geändert haben. So will ich auch nur das "Grundmuster" beschreiben, ergänzt durch meine individuellen Empfindungen ohne Anspruch auf Wissenschaftlichkeit oder Vollständigkeit.

Ehe überhaupt eine Behandlung beginnen kannm, müssen eine Reihe von Vorbedingungen erfüllt sein:

  1. Voruntersuchungen der Frau und des Mannes (bei uns durch meinen mir vertrauten Frauenarzt). Es müssen von der Frau befruchtungsfähige Eizellen und vom Mann befruchtungsfähige Samenzellen produziert werden können. Wenn dann der Hinderungsgrund für eine Schwangerschaft durch die Methode der IVF zu "umgehen" ist, z.B. bei undurchlässigen Eileitern der Frau, kommt die IVF überhaupt erst in Betracht.
  2. Suchen einer Praxis mit Labor, die die IVF durchführt.
  3. Gespräche, Untersuchungen, Terminabsprachen mit der Praxis.
  4. Klärung der Kosten für die Behandlung und evtl. Kostenübernahme durch Krankenkassen.

Danach kann dann die eigentliche Behandlung durchgeführt werden. Mit Beginn eines neuen Zyklus wird durch Hormongaben das Wachstum mehrerer Eizellen ausgelöst. Für mich hieß das konkret für einen Zeitraum von 10-14 Tagen:

  • tägliche Fahrt in die Praxis
  • dort tägliche Blutabnahme, danach
  • eine ausführliche Ultraschalluntersuchung zur Bestimmung von Anzahl und Größe der Eibläschen
  • und schließlich eine Hormonspritze, abgestimmt auf die Werte der Blut- und Ultraschalluntersuchung.

Ich habe diese tägliche Prozedur über einen solchen Zeitraum als außerordentlich belastend und zermürbend empfunden, bedingt durch den riesigen Zeitaufwand, zerstochene und schmerzende Arme und Pobacken durch die Spritzen und der zur Zyklusmitte hin steigenden Angst, dass die ganze Mühe umsonst gewesen sein könnte. Die Eibläschen müssen nämlich einerseits möglichst groß und gut gereift sein, dürfen aber andererseits auf keinen Fall platzen, weil damit die sich darin befindende Eizelle nicht durch eine Punktion "einzufangen" ist. Zu einem Zeitpunkt, den der Arzt für optimal hält, werden dann die Eibläschen in örtlicher Betäubung oder Kurznakose entnommen. Zur gleichen Zeit muss mein Mann in der Praxis Samen produzieren. Meine gewonnenen Eizellen wurden dann mit den Spermien meines Mannes "in Vitro", im Glas, zusammengeführt.

Ab diesem Zeitpunkt trat für mich eine Phase der Erholung ein mit dem Gefühl "bis hierher ist’s geschafft". Nicht jeden Morgen die körperliche Prozedur in der Arztpraxis auf mich nehmen zu müssen, den Vormittag auch mal wieder frei zu haben, nicht die Angst aushalten zu müssen, dass zu viele Eibläschen wachsen (das mindert die Erfolgsausichten auf eine gute Reifung und spätere Teilung) oder dass zu wenige wachsen (das mindert die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg bei der späteren Einpflanzung in die Gebärmutter). Es können auch aufgrund der Hormongaben Zysten wachsen, und der Versuch muss abgebrochen werden.

Es gibt noch eine Vielzahl von anderen Komplikationsmöglichkeiten, so dass ich mich in dieser Phase der Behandlung an der Grenze meiner psychischen Belastbarkeit fühlte. Diese Anstrengungen, Hoffnungen, Ängste und auch Schmerzen auszuhalten, war nur mit einem einfühlsamen, teilnahmsvollen und starken Partner möglich, unabdingbar war es auch, den Entschluss zu dieser Behandlung zu zweit gefasst zu haben und es auch gemeinsam zu tragen, wobei die körperliche Belastung mich als Frau weitaus mehr betraf.

Nach der Punktion kam also die Erleichterung über den bisherigen positiven Verlauf, dann das Warten auf einen Anruf aus der Praxis, ob und wieviele Eizellen befruchtet werden konnten und sich zu teilen begonnen hatten.

Nach etwa zwei bis vier Tagen - je nach Teilungsstadium - wurde ich zur Wiedereinpflanzung der aussichtsreichsten Zellen in die Praxis bestellt. Das ist eine vergleichsweise einfache und schmerzlose Prozedur: mit einer dünnen Kanüle werden die Eizellen durch den Muttermund in die Gebärmutter gespült.

So, und nun sei ich eigentlich schwanger, wurde mir liebevoll und hoffnungsfroh gesagt. Ich bekam einige Verhaltenshinweise und noch eine unterstützende Hormongabe, und dann stellte sich bei mir das Gefühl ein, wieder alles bei mir, in meinem Körper zu haben und mich wieder mehr nach innen kehren zu können. Es heiß jetzt warten, ob sich ein oder zwei Eizellen in die Gebärmutterschleimhaut einnisten oder ob nach etwa zwei Wochen meine Regelblutung einsetzen würde.

Ich habe in dieser Zeit eine Mischung aus zwei Gefühlen verspürt: zum einen meinen Körper zu mögen, ihn besonders aufmerksam wahrzunehmen, auf ihn zu hoffen und ihn zu pflegen; auf der anderen Seite aber verhielt ich mich auch merkwürdig einschränkend und unnatürlich, als ob ich krank wäre, was bedeutete, eine Treppe schleichend-sanft hinaufzugehen, lieber nicht mit dem Fahrrad zum Einkaufen zu fahren oder auf ein tolles, langes Sommerfest mit Tanz zu verzichten.

Es gibt noch eine ganze Reihe anderer Dinge, von denen ich unrealistischerweise das Gefühl hatte, sie würden die Einnistung der Eizellen erschweren. Dieses gedämpfte Lebensgefühl, dieses ständige Kreisen der Gedanken um meinen Zustand ließ sich einfach nicht abstellen. Das alles entsprach wohl dem übermächtigen Wunsch, die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft (damals noch weit unter 30%) für mich zu optimieren und jedes Risiko auszuschliessen.

Meine Hoffnungen blieben leider unerfüllt. Trotz mehrerer Versuche (zwei davon mussten vorzeitig abgebrochen werden), trat jedesmal meine Regelblutung ein, da sich kein Ei eingenistet hatte. Dann war es wiederum immens wichtig, meinen Mann uneingeschränkt zur Seite zu haben und mit ihm zusammen meine Trauer und Enttäuschung zu verarbeiten.

Bei mir trat der Effekt ein, dass ich unmittelbar nach dem Scheitern eines jeden Versuchs das Bedürfnis verspürte, mich bei körperlicher Bewegung zu erholen, so machte ich mit meinem Mann einen möglichst von Sport geprägten Urlaub, in dem wir uns dann auch die Zeit nahmen, uns psychisch zu erholen. Dieser Prozess dauerte auch danach noch einige Monate, bis wir uns in der Lage fühlten, einen nächsten Versuch zu wagen.

Als Resumee habe ich für mich gezogen: Es war gut, die IVF versucht zu haben. Es war wichtig, sich über Chanchen und Enttäuschungen dieses Weges mit dem Partner klar zu werden und - für den Fall des Scheiterns - ein Lebenskonzept zu entwickeln, das nicht auf ein Kind fixiert ist.

In diesem Zustand lebe ich heute: Ich empfinde mich als Frau (obwohl ich in der Zwischenzeit auch noch eine Totaloperation über mich habe ergehen lassen müssen), ich kann viele Dinge bewusst geniessen, die mir mit Kind nicht möglich gewesen wären. Ich habe das Gefühl, alles versucht zu haben, ein Kind zu bekommen, und wenn es auch nicht möglich gewesen ist, so genieße ich dennoch mein jetziges Leben und erfülle es mit anderen freudvollen Dingen.

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