Werden Sie auch eine

MATHILDE

Hat Gouda Gene?

Gentechnik ist nicht Technologie von morgen, sondern Technik von heute. Mit ihren enormen Anwendungsmöglichkeiten hat die Gentechnik für den Fortschritt in der Wissenschaft und in der Industrie eine Schlüsselrolle eingenommen. Seit der Entwicklung der ersten gentechnischen Methoden 1973 ist die Diskusion über Nutzen und Risiken nicht mehr zur Ruhe gekommen.

Die Grundlagen der Gentechnik wurden bereits im letzten Jahrhundert mit der Entdeckung der Vererbungslehre geschaffen. Schon hier standen die Vorteile für die Versorgung der Menschen im Vordergrund. Durch Kreuzungen wurden Pflanzen und Tiere vermehrt, die unseren Wünschen am nächsten kamen, um beispielsweise ertragreichere Feldfrüchte oder fleißige Legehennen zu bekommen.

In den 40er Jahren unseres Jahrhunderts war bekannt, dass sich in den Zellen eines Lebewesens ob Einzeller, Pflanze, Tier oder Mensch bestimmte chemische Strukturen befinden, die Träger der Erbinformationen sind. Diese Strukturen werden heute in der gebräuchlichen Abkürzung DNS oder englisch DNA (Desoxyribonukleinsäure) genannt. 1951 konnten die Forscher James Watson und Francis Crick den Aufbau der Moleküle nachweisen. Die von ihnen analysierte Struktur wird häufig mit einer verdrehten Strickleiter verglichen, die als Doppelhelix bezeichnet wird. Die Wissenschaftler erkannten, dass die Sprossen dieser Doppelhelix aus vier Grundbausteinen zusammengesetzt sind. Das Geheimnis der Erbinformation liegt in der Reihenfolge dieser Bausteine, dem sogenannten genetischen Code. Dieser Code bestimmt die Bauanleitungen zum Bau von Eiweißen und damit die Merkmale und Eigenschaften eines Organismus.

Der Abschnitt auf der DNS, der die Botschaft, d.h. die Bauanweisungen eines Eiweißstoffes enthält, wird Gen genannt. Die Gesamtheit der Gene eines Lebewesens werden Genom genannt. Das Genom von Menschen enthält ca. 50.000 bis 100.000 Gene. Einfache Bakterienzellen haben immerhin bis zu 5.000 Gene. Das besondere an dieser Sprache ist, dass sie universell ist, d.h. bei allen Lebewesen gleich verstanden wird, egal ob es ein Virus, ein Bakterium, eine Planze, ein Tier oder ein Mensch ist.

Es ist nun möglich, einen Abschnitt der Erbinformation von SpenderInnnen auf EmpfängerInnen zu übertragen. Ein Gen aus einem Bakterium, das in die Erbinformation einer Pflanze eingebaut wird, kann auch von der Pflanze gelesen werden, und die Pflanze wird ab dann die veränderte Erbinformation weitergeben. So können zum Beispiel Karpfengene auf Forellen oder menschliche Wachstumsgene auf Schweine übertragen werden. Dieser Vorgang ist vergleichbar mit einem Kopierer, der eine neue Vorlage bekommt. Diese Tatsache ist von besonderer Wichtigkeit. Hierdurch unterscheiden sich die alten Züchtungstechniken von der neuen Gentechnik, denn nun besteht die Möglichkeit, genetische Informationen zwischen den Lebewesen zu übertragen, die sich bisher nicht kreuzen ließen. Damit betritt die Wissenschaft ein völlig neues Gebiet.

Die Gentechnik liefert faszinierende Einblicke in die grundlegenden Vorgänge des Lebens, der Vererbung und die Möglichkeit der Beeinflussung. Diese Vorstellung weckt Unsicherheiten und Ängste. Doch es muß klar gesagt werden, dass es in der Gentechnik nicht darum geht, neue Menschen zu schaffen oder Embryonen zu verändern. Im Embryonenschutzgesetz sind Regelungen für die Fortpflanzungsmedizin zusammengefasst. Ziel der Gentechnik ist es, Möglichkeiten zur Veränderung des Erbgutes zu nutzen, um die Lebensgrundlagen der Menschen (Gesundheit, Ernährung und Umwelt) zu sichern oder zu verbessern. Durch eine Umfrage wurde festgestellt, dass die Gentechnik im Bereich der Lebensmittelproduktion von ca. 80% der deutschen Bevölkerung abgelehnt wird.

Im Bereich der Medizin wird die Gentechnik weitgehend akzeptiert. So konnten dank der Gentechnik Arzneimittel und Impfstoffe in verträglicher und wirksamer Form produziert werden. Teure Arzneimittel wie Insulin für DiabetikerInnen und Gerinnungsmittel für BluterInnen können in großen Mengen preiswert hergestellt werden. Auch die Krebsforschung und die Erforschung von Erbkrankheiten profitieren von der Gentechnik.

Am leichtesten fiel den GentechnikerInnen die Genübertragung auf Bakterien, Hefen und Schimmelpilze (Mikroorganismen). Sie lassen sich das fremde Erbgut leicht einverleiben und vermehren sich rasch, so dass die Erfolge oder Mißerfolge schnell gesehen werden. Daher ist die Forschung auf diesem Gebiet schon weit fortgeschritten und wir haben hier die meisten gentechnisch veränderten Produkte. Mit Hilfe der Mikroorganismen lassen sich Hilfs- und Zusatzstoffe wie Vitamine, Aromen, Geschmacksverstärker, Farbstoffe, Enzyme und Dickungsmittel gewinnen. Mikroorganismen werden schon seit langem in der Lebensmittelverarbeitung eingesetzt. Bei der Herstellung von Brot, Bier, Wein, Essig, Sauerkraut, Buttermilch, Käse und Joghurt werden sie benötigt. Seit der Entstehung der Nahrungsmittelkonzerne vor ca. 80 Jahren werden sie gezielt eingesetzt.

Etwas näher möchte ich auf die Enzyme eingehen, da das Enzym zur Käseherstellung bereits in die Diskussion geraten ist. Enzyme sind keine Lebewesen, sondern Eiweißmoleküle, die einen chemischen Prozess in Gang setzen (Starterkulturen). So wird durch ihre Anwesenheit z. B. aus Milch Joghurt. Mit Hilfe der Gentechnik können unabhängig von natürlichen Enzymquellen alle Enzyme in großen Mengenhergestellt werden. Gentechnisch hergestellte Enzyme sind gleichbleibend in der Qualität, immer verfügbar, in der Regel billiger und sie unterscheiden sich nicht von Enzymen, die nach herkömmlichen Methoden hergestellt werden.

Das Enzym Chymosin, das zur Käseherstellung benötigt wird, wird aus dem Lab der Kälber hergestellt. Der Anstieg des Käsekonsums und die geringere Aufzucht von Kälbern hat zu einem Engpaß geführt. Der Gentechnik ist es gelungen, Kälbergene in Kefirhefe einzuschleusen, die nun Chymosin produziert. Dieses gentechnisch hergestellte Chymosin ist reiner als das natürliche, d.h. bei der Käseherstellung werden weniger Verunreinigungen in den Käse gebracht. Die Ausbeute verwendungsfähiger aktiver Enzyme aus Kälbermagenpräparat beträgt 4-8%, die Ausbeute beim gentechnisch hergestellten Chymosinpräparat ist 80-90%. 1990 wurde das Chymosin in Amerika als erstes gentechnisches Produkt zugelassen, da durch intensive Untersuchungen keine Unterschiede am Endprodukt Käse festgestellt werden konnten. Die Weltgesundheitsbehörde hat keinerlei Einschränkungen bei der Aufnahme der gentechnisch hergestellten Enzyme gemacht. Inzwischen werden sie in England, Italien, Griechenland, Österreich, Frankfreich, Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland eingesetzt. Zwar ist es in Deutschland nicht erlaubt, Käse gentechnisch herzustellen und in den Handel zu bringen, aber nach der Herstellung sind die Endprodukte nicht zu unterscheiden.

Auch die Pflanzen werden von der Gentechnik nicht vergessen. In Amerika ist inzwischen die "Antimatsch-Tomate" auf dem Markt zugelassen. Die amerikanische Lebensmittelkontrollbehörde hat die Unbedenklichkeit dieser Tomate bestätigt. Um auf den langen Transportwegen möglichst wenig Ausschuss zu haben, werden Tomaten grün geerntet. Mit Hilfe der Gentechnik ist es nun gelungen, den Stoff zu blockieren, der für das Altern der Tomate zuständig ist. Das bedeutet, dass die Früchte ausgereift geerntet werden können, aber auch noch lange Zeit im Regal frisch aussehen. Die VerbraucherInnen können also nicht mehr beurteilen, wie alt die Ware ist. Die Chancen in punkto Gentechnik liegen also in erster Linie bei der Industrie, die preiswerter produzieren kann. Die Risiken liegen eher bei den VerbraucherInnen.

Bei der Diskussion über die Risiken der Gentechnik muss unterschieden werden zwischen Produkten, die sich nicht vermehren können, weil sie keine lebenden Organismen besitzen (Bakterien, Pflanzen, Tiere). Das Risiko, das von gentechnisch hergestellten Zusatzstoffen ausgeht, wird allgemein als sehr gering eingeschätzt. ÖkologInnen warnen vor unerwünschter Ausbreitung gentehnisch manipulierter Kulturpflanzen. Gentechnisch erzeugte Lebensmittel können Allergien auslösen, da bekannte Allergene plötzlich in Lebensmitteln auftauchen, in denen sie nicht vermutet werden (Erdnußeiweiß in der Tomate, z.B.). Bei der Aufnahme veränderter Lebensmitteln ist nicht bekannt, ob die Nahrungsbestandteile vom Körper in gewohnter Weise aufgenommen und vertragen werden. Wie die Darmflora und die Bekämpfung von Krankheitserregern beeinflusst wird, ist ebenfalls nicht bekannt. Zu befürchten ist auch, dass eine Antibiotikaresistenz verstärkt wird, da den erbmanipukierten Zellen oft Antibiotika zugesetzt werden, um ein Überleben zu sichern.

Es erhebt sich bei dieser Diskussion auch die Frage, ob neue und veränderte Lebensmittel benötigt werden. Unser Lebensmittelangebot ist so vielfältig und reichlich, dass eine ausreichende und gesunde Ernährung möglich ist. Die Entscheidung gegen die Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Lebensmittel ist bereits in Brüssel gefallen, die VerbraucherInnen sollten aber durch ihre Kaufentscheidung für Lebensmittel aus der Region deutlich machen, dass diese neuen Lebensmittel mit Skepsis betrachtet werden. Als Mindestforderung gilt eine Kennzeichnung der Lebensmittel, wie es auch die Verbraucherverbände, als Lobby der VerbraucherInnen, vertreten.

Hannelore Neumann

zurück

MATHILDE