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Hinterm Bahnhof, aber nicht hinterm Mond...

...ist die Evangelische Fachhochschule in Darmstadt, die als eine der wenigen Bildungststätten ihrer Art von einer Frau geleitet wird. Frau Prof. Dr. Alexa Köhler-Offierski ist seit 1. September 1994 Rektorin dieser Fachhochschule, die von der evangelischen Kirche und dem Diakonischen Werk von Hessen und Nassau getragen wird. Vor fast einem Vierteljahrhundert hatte schon einmal eine Frau dieses Amt inne. Im Jahre 1971 wurde die Evangelische Fachhochschule von Frau Dr. Waltraut Krützfeld-Eckhardt ins Leben gerufen, die auch schon Gründerin der vorausgegangenen Höheren Fachschule für Sozialarbeit gewesen war. Die Evangelische Fachhochschule bildet für soziale und kirchendienstliche Berufe aus. Aber auch frauenrelevante Themen sind im Lehrplan enthalten, wie zum Beispiel "Frauen und frauenspezifische Beratung", "Historische Entwicklung der Frauenbildungsarbeit", "Weiblichkeit und Sozialisation", "Videoarbeit in der Mädchen- und Frauenarbeit", "Frauenkriminalität".

Frau Dr. Köhler-Offierski schlug als Medizinerin einen ungewöhnlichen Weg ein, in dem sie als Ärztin an der Fachhochschule Sozialmedizin lehrte und dann das Rektorat übernahm. RektorInnen werden aus dem Kreis der Professorinnen und Professoren gewählt, es gibt keine standardisierte Ausbildung für dieses Amt.

Die Evangelische Fachhochschule ist frauendominant. Dies trifft jedoch nur auf die Auszubildenden, nicht auf die Lehrenden, zu. 60% der Studierenden sind weiblich, aber Frauen besetzen nur ein Drittel der Professuren. Einen der Gründe hierfür sieht Frau Dr. Köhler-Offierski in dem komplizierten Zugang zur Fachhochschule, welcher der weiblichen Biographie nicht gerade entgegenkommt. Es ist ein langer Weg, der einen akademischen Abschluss erfordert. Dann kommt noch die Promotion oder eine promotionsadäquate Leistung und fünf Jahre Berufserfahrung, davon drei Jahre außerhalb der Fachhochschule oder Hochschule. Kommt eine Frau aus dem Bereich der Sozialpädagogik oder Sozialarbeit, dann beinhaltet dies vorab noch einen Fachhochschulabschluss, der einschließlich Anerkennungsjahr auch mindestens vier bis fünf Jahre dauert. Frau Dr. Köhler-Offierski hofft, dass sich in den kommenden Berufungsverfahren der Frauenanteil erhöhen lässt. Ein Viertel der ProfessorInnen sind im vergangenen Jahr aus Altersgründen ausgeschieden.

Sonst sieht sie als Rektorin ihre Hauptaufgabe in der Verwaltungsarbeit, im Organisieren und Koordinieren, Tätigkeiten, die das Funktionieren einer Fachhochschule erst ermöglichen. Auch die Verbesserung des Informationsaustausches zwischen den verschiedenen Fachbereichen ist ihr sehr wichtig. Ein neuer Ansatz in diese Richtung ist die von der Rektorin gegründete Hochschulzeitung "Hinterm Bahnhof", deren Nullnummer im März 1995 erschienen ist und die für Kommunikation und Information innerhalb der Fachhochschule sorgen soll.

Ein anderer Schwerpunkt, der an der Fachhochschule schon besteht und den Frau Dr. Köhler-Offierski verstärken möchte, ist der Aufbau von internationalen Kontakten. Das Leben in einem multikulturellen Zusammenhang hier im Rhein-Main-Gebiet einerseits und die befruchtenden Im pulse für Auszubildende und Lehrende im Austausch mit ausländischen Hochschulen andererseit, lassen diese Arbeit besonders wichtig erscheinen. Die Fachhochschule bietet dafür auch qualifizierte Fremdsprahenkurse an.

Der dritte Akzent, den Frau Dr. Köhler-Offierski für wesentlich hält, ist die Pflege der Kontakte im unmittelbaren Umfeld, sei es zu städtischen und kirchlichen Institutionen, zur evangelischen Gleichstellungsstelle, zu den Nieder-Ramstädter Heimen oder zum Diakonischen Werk. Eine Arbgeit, die weitgehend unsichtbar bleibt und weit weniger spektakulär ist als große Projekte, im Grunde eine "typisch weibliche Aufgabe".

An der Evangelischen Fachhochschule werden gegenwärtig zwischen 800 und 850 Studierende ausgebildet. Die Zahl ist steigend, seit vor ca. Zwei Jahren der Studiengang "Pflege" und der Aufbaustudiengang "Sozialtherapie" in den Lehrplan aufgenommen wurden. Auch diese Fachhochschule hat mit steigenden Kosten und sinkenden Zuschüssen zu kämpfen.

Wie überall ist auch hier das Problem Kinderbetreuung schwierig zu lösen, zumal laut einer Umfrage die Altersspanne der betroffenen Kinder sehr unterschiedlich ist. Für die Kleinkinder von Studierenden mit Wohnsitz in Darmstadt gibt es nur eine Krabbelstube, allerdings nur tagsüber. Wichtig wären flexiblere Öffnungszeiten der öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen, aber auf diesem Gebiet ist Deutschland ja noch sehr rückständig.

Das Amt der Frauenbeauftragten wird an der EFH im Rotationsverfahren von jeweils einer Professorin wahrgenommen. Der Nachteil bei diesem System sit die zusätzliche Arbeit, der Vorteil besteht darin, dass alle Kolleginnen in den Diskussionsprozess eingeschaltet werden und auch nach ihrer Ablösung von diesem Amt für die Frauenproblematik sensibel bleiben.

Barbara Obermüller

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