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Die »Lotterlädies«

Wie ein Programm entsteht

"Auch das noch", stöhnt Rosi, da sitzen wir seit einem halben Jahr an dem Versuch, ein neues Programm auf die Beine zu stellen (was natürlich, wie immer, nicht klapp!) und nun sollen wir auch noch über dieses Trauerspiel einen "humorvollen" Artikel für eine Frauenzeitschrift schreiben! Lachhaft!! Eben! Wir, das sind die "Lotterlädies", eine Laien-Frauenkabarettgruppe aus Rüsselsheim, die sich seit nunmehr rund neun Jahren mal mehr, mal weniger engagiert darum bemüht, frauenpolitische Themen ncht mit dem erhobenen Zeigefinger, sonder relativ undogmatisch, eben "kabarettmäßig" unter die Leute, insbesondere unter die Frauen zu bringen.

Die Zahl der Akteurinnen schwankt seit Bestehen der Gruppe zwischen sechs und neun Frauen (fast) aller Altersgruppen, wobei die "mittleren" Jahrgänge dominieren.

Angefangen haben wirmit kleinen Sketchen zu "besonderen Anlässen", wie 8. März, Walpurgisnacht, 1. Mai etc. Irgnedwann entstand dann daraus das erste abendfüllende Programm, dem setzher dreit weitere folgten. Die Entstehung eines jeden dieser Programme ist ein Kapitel bzw. ein Kabarettsück für sich. Nie, aber auch wirklich nie, schaffen wir es, kontinuierlich, ernsthaft und voller Eifer ein neues Programm von A bis Z zu entwickeln. Natürlich sind daran immer äußere Faktoren schuld bzw. innere Schweinehündinnen schuld, am allerwenigsten wir selbst.

Ein Beispiel zur Erläuterung: Nach reichlich drei Monaten ist es uns gelungen, eine Text soweit zu unserer Zufriedenheit fertigzustellen, dass wir mit den Proben anfangen könnten. (Denn spielfaul, wie wir sind, versuchen wir, eine Szene immer so sehr auszufeilen, bis es wirklich gar keinen einzigen vernünftigen Grund mehr gibt, nicht endlich mit der Rollenverteilung und dem tatsächlichen Spielen zu beginnen!).

Dummerweise sind Angelika und Barbara an diesem entscheidenden Abend verhindert, überhaupt zu kommen: Inge meint, dass wir eigentlich den Satz B im Abschnitt C so nicht stehen lassen könnten und die inhaltliche Aussage desselben noch einmal dringenst diskutieren müssten. Christel H. widerspricht: Schließlich würde man erst beim Proben selbst sehen, wie dieser Satz wirke und vielleicht verändere ja das spontane Spielen überhaupt den Text so viel, dass... "Und ich finde", sagt Christel K. empört, "dass wir angesichts der Weltlage eine solch dumme Szene ganz aus dem Programm streichen sollten. Es gibt wahrhaftig wichtigere Dinge als..." - "Das ist doch wieder einmal typisch, dass du nicht sehen willst, wie frauenpolitisch bedeutsam diese Szene tatsächlich ist, und glaubst, nur mit der Holzhammermethode irdetwas bewirken zu können." (Claudia). Hanne kommt - wie immer - eine knappe Stunde zu spät, was aber, wie sie ernsthaft erklärt, ja nicht weiter tragisch sei, da wir in dieser Zeit sowieso zu keiner produktiven Arbeit fähig gewesen seien. Bärbel hält sich raus: Ihr sei es egal, wie wir im Einzlnen nun vorgehen wollten. Die Zuspätgekommene muß nunmehr erst einmal über den Stand der Dinge aufgeklärt und das Für und Wider bezüglich des Spielens der Szene noch einmal deutlich gemacht werden.

Die Zeit - unsere schlimmste Feindin - ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass drei der anwesenden Lotterlädies kategorisch erklären, zu so später Stunde zu keinem klaren Gedanken, geschweige denn zum Spielen mehr fähig zu sein. Zwei weitere schließen sich dieser Meinung an. Die ganze Sache wird auf die nächste Woche verschoben, wenn wir alle wieder frisch und munter seien und dann aber tatsächlich mal ans Spielen gehen sollten.

Wohlgemerkt, soviel zum Entstehen einer einzigen kleinen Szene von etwas fünf Minuten Dauer! Unberechenbar wie wir selbst sind eben auch unsere Arbeitstreffen. Nie kann frau im voraus wissen, was sie an einem solchen Abend erwartet: Wird es ein Kaffeeklatsch oder eher ein Therapieabend, eine politische Diskussionsrunde, eine Selbsterfahrungsgruppe oder einfach nur ein "Fun-Abend". Und so mogeln wir uns denn immer irgendwie über die Runden, finden uns brav wöchentlich im Frauenzentrum Rüsselsheim zu enorm unproduktiven Sitzungen ein, während derer wir über dies und jenes plaudern, Themen für Sketche formulieren, die wir wirklich einmal ernsthaft...Texte verfassen, die später doch lieber nicht... (weil frauenpolitisch zu irrelevant!), andere Gruppen durch schallendes Gelächter bei der Arbeit stören, weil wir ja teilweise wirklich witzige Ideen haben, die nur leider üf rdie Bühne völlig unbrauchbar sind, um schließlich, zwei Wochen vor dem nächsten Auftritt (den wir irgendwann mal unbedarft und blauäugig angenommen haben), wie die Furien - mit allen gruppendynamischen Konsequenzen - plötzlich Rollen zu verteilen und zu proben, zu proben, zu proben...

Manchmal hilft dann nur noch ein gemeinsames Wochenende in schöner Umgebung mit passendem "Ambiente" und bei bester Verpflegung. Erstaunlicherweise sind diese zwei Tage für das neue Programm oft nützlicher als vorher die Zusammenkünfte eines ganzen Jahres.

Wie wir es überhaupt schaffen, unter solchen Bedingungen dennoch ab und zu ein abendfüllendes Programm auf die Beine zu stellen und auch noch auf die Bühne zu bringen?? Wir wissen es nicht! Ob uns diese Art des Arbeitens tatsächlich noch Spaß macht? Wieso Spaß, wir machen Kabarett, frei nach unserem Motto: "Wir versprechen nichts, aber das halten wir auch!"

Lotterlädies c/o Barbara Wolff, An den Weiden 46 65428 Rüsselsheim

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