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April, April!

Falls Sie am 3.2, am 29.8 oder gar am 9.11 geboren sind, werden Sie sich von diesem Thema nicht direkt angesprochen fühlen. Ich hingegen gehöre zu den wenigen Auserwählten oder, wenn Sie wollen, Gebrandmarkten, die am 1. April das frühlingshafte Licht der Welt erblickt haben. Seit frühester Kindheit erntete ich stets ein Lächeln oder auch ein breites Grinsen, wenn ich die Frage nach meinem Geburtsdatum beantwortete.

Meine SchulkameradInnen waren nie um einen "April-Scherz" verlegen und ich als Objekt ihres Einfallsreichtums geradezu prädestiniert.

In meiner Ursprungsfamilie war dieser Tag nicht immer nur durch meinen Geburtstag hervorgehoben, vielmehr fielen die Termine für den Umzug in eine andere Wohnung mehrmals auf dieses Datum. Mein Geburtstag fand dann allerdings nicht die von mir erhoffte Aufmerksamkeit. Meistens jedoch veranstaltete meine Mutter für mich eine kleine Feier, zu der zwar keine anderen Kinder, wohl aber meine Großeltern eingeladen waren. Soweit ich mich erinnern kann, gab es keinen 1. April, ohne dass meine Großmutter die immer wieder gleiche Geschichte von ihrem Bruder erzählte, der als junger Malerlehrling von seinem Meister mit allen Utensilien in das Haus eines Nachbarn geschickt worden war, um dort die Wohnung zu tapezieren. Über die verblüfften Gesichter des Lehrlings und seines vermeintlichen Kunden amüsierte sich die ganze Familie alle Jahre wieder.

Meine Mutter vergaß auch nie, uns zum wievielten Male von dem Wunder zu berichten, das sie am Tag vor meiner Geburt erlebt hatte: sie hatte nämlich die ersten Schlüsselblumen des Jahres im Wald gefunden. Und erwartungsgemäß staunten alle über diese unglaubliche Sensation. Daraus entwickelte sich stets die unvermeidliche Diskussion über das Wetter im allgemeinen und den Frühling im besonderen, und alle waren sich einig, dass nicht einmal das Wetter mehr so ist wie früher.

Mit zunehmenden Alter wurde ich in Bezug auf mein Geburtsdatum mit schöner Regelmäßigkeit gefragt, ob ich denn auch wirklich geboren sei und auch tatsächlich existiere.

Sozusagen als sichtbare Beweise meiner Existenz brachte ich in kurzem Abstand zwei Töchter zur Welt, die laut Geburtsurkunden, wenn schon keine April-Scherze, so doch wenigstens Sonntagskinder sind.

Kaum waren sie einigermaßen den Windeln entwachsen, hatten sie auch schon den Zusammenhang zwischen meinem Geburtstag und der Möglichkeit verstanden, mich mit schier unerschöpflicher Phantasie in den April bzw. an alle möglichen Orte zu schicken, die Kindern in diesem Alter einfallen. Und ich entwickelte gleichzeitig viel Geduld und schauspielerisches Talent, um ihnen den Spaß nicht zu verderben, wenn ich sie durchschaut hatte.

Ihre Späße wurden mit den Jahren immer raffinierter, so dass ich ihnen zugegebenermaßen immer öfter auf den Leim ging. Und selbstverständlich tat ich auch, was von mir erwartet wurde und wird: ich lachte mit ihnen und dem Rest der Familie über den gelungenen Spaß. Nicht immer, das muß ich zugeben, aus vollem Herzen.

In diesem Jahr beispielsweise flatterte mir per Post ein täuschend echt gestalteter Brief ins Haus, durch den mir eine bekannte Frauenzeitschrift zum Gewinn einer Reise für zwei Personen nach Griechenland gratulierte. Ich konnte mich zwar überhaupt nicht erinnern, jemals den im Brief erwähnten Fragebogen ausgefüllt zu haben, schwankte aber trotzdem stark zwischen übermütiger Freude und vorsichtigem Zweifel, bis meine älteste Tochter sich mit strahlendem Lächeln als Urheberin zu erkennen gab. April April!
Meine Einttäuschung war tatsächlich größer als ich zugeben wollte, denn nach Griechenland hatte ich doch schon immer mal gewollt.

Am Nachmittag - die verlorene Reise hatte ich beinahe schon wieder verschmerzt - folgte der zweite Streich: Den noch verpackten Kuchenteller aus Porzellan, den ich mir zum Geburtstag gewünscht hatte, ließ meine jüngere Tochter vor meinen entsetzten Augen klirrend auf die Steinplatten vor der Haustür fallen, als sie mir gratulierte. Und natürlich, wie könnte es anders sein, war in dem Paket nur ein alter Steingutteller. Der Richtige lag gut versteckt und unversehrt in ihrem Einkaufskorb. Haha, der Spaß war gelungen!

Was mich wohl im nächsten Jahr erwartet?

Der "Narrentage" gibt es noch viele, und da man glücklicherweise noch nie einen "üblen" Scherz mit mir getrieben hat, werde ich auch in Zukunft diesem Datum mit Gelassenheit entgegensehen. Für mich ist er schließlich ein ganz besonderer Tag, der 1. April.

Christa Berz

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