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Eine kurze Historie unserer Alltagsdrogen

Blicken wir auf der Suche nach Informationen über Drogen und Drogenverhalten in Zeitungen und Illustrierte, hören wir Radio oder sehen wir fern, so werden wir feststellen, dass nicht von den Drogen am meisten die Rede ist, die die höchste Verbreitung bei uns haben: Alkohol und Tabak. Schon die Erwähnung von Alkohol oder Tabak im Zusammenhang mit Drogen findet eher selten statt. Einer der Gründe für dieses Phänomen liegt sicher in ihrer Geschichte, in die sich eine kleine Exkursion lohnt.

Der Alkohol

Hinter dem aus dem Arabischen kommenden Wort Alkohol verbirgt sich der Weingeist, "das Feinste von etwas". Bekannt ist er seit mindestens 10.000 v. Chr. in Form von Honigwein und Bier, die gleichsam als Nahrungsmittel genutzt und als Opfergaben verwendet wurden. Sie sollten tiefliegende Ängste vor den Naturgewalten und der Ungewissheit des Lebens überwinden, sowie zwischenmenschliche Kontakthürden bewältigen helfen.

Im alten Rom erlebte der Genuss von Alkohol eine Blütezeit. Es wurde positiv bewertet, sich zu betrinken und sich zu übergeben, um mit neuem Elan weiter trinken zu können. Dies wurde vor allem bei ausgewählten Anlässen praktiziert. Trunksucht war im Alltag selten, sondern zumeist in den oberen Schichten verbreitet. Mit dem Aufkommen und der Verbreitung des Christentums verschwand auch diese sehr weltliche Rolle des Alkohols. Sie wich einer sakralen Bedeutung. Bis ins Mittelalter wird dennoch immer wieder von "Bier- oder Weintrunkenen" berichtet, jedoch seltener von Trunksüchtigen.

Die Entdeckung der Destillation um 1000 n. Chr. machte die Herstellung hochprozentigerer Getränke möglich, die in der Folge auch wiederholt verboten wurden, jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Einzig die Steuereintreiber, namentlich der Adel und die Kirchenfürsten, fanden schnell heraus, wie viel Wohlstand in der Besteuerung von Alkohol verborgen lag. Im 16. Jahrhundert grassierte in Mitteleuropa ein bis dahin unbekanntes Phänomen: die Trunksucht. Quer durch alle Klassen, Staaten, Religionen, bei Männern wie Frauen war sie verbreitet. Jegliche Bemühungen der Kirchen blieben fruchtlos. Vermutet wird, dass dieser sprunghafte Anstieg der Trunksucht mit dem politischen, religiösen und ökonomischen Chaos der Reformationszeit zusammenhängt. Interessanterweise ist bis Mitte des 19. Jahrhunderts zwar der Begriff Trunksucht vorhanden, die Vorstellung des Trinkens als Krankheit, die in dem Wort Alkoholismus enthalten ist, jedoch unbekannt.

Das 19. Jahrhundert bringt einen neuen Typ der TrinkerIn hervor, "der/die einsame TrinkerIn". Aus dem demonstrativen sich Betrinken in der Öffentlichkeit zu bestimmten Anlässen entwickelte sich das Trinken in den eigenen vier Wänden, alleine, ohne gesellschaftlichen Anlass. Zur gleichen Zeit wurde ein Gesetz erlassen, in dem das Trinken in der Öffentlichkeit verboten wurde, das private Trinken fand keine Erwähnung. Heute sind ein Viertel aller Alkoholabhängigen in Deutschland Frauen. Die meisten Frauen sind "einsame Trinkerinnen".

Der Tabak

Die zweite bei uns weit verbreitete und schon lange bekannte Droge ist der Tabak. Aus seiner Heimat Amerika kam er mit den spanischen Eroberern nach Europa. Zunächst wurde er wegen seiner vielfältigen, medizinischen Verwendbarkeit geschätzt. So verabreichte man ihn bei Kopfschmerzen, zur Wundheilung, als Abführ- oder Brechmittel. Zunächst wurde er gegessen gemeinsam mit Kalk, der die Wirkung entfaltete. Die Tätigkeit des Rauchens existierte noch nicht, wie die damalige Ausdrucksweise belegt. So hieß die Tabakaufnahme "feuer und dampf saufen" oder "Rauch fressen".

Verbreitet hat sich der Tabak zunächst in höfischen Kreisen, da ein Sir ihn am englischen Hof im 16. Jahrhundert in Mode brachte. Sobald er erschwinglicher wurde, entwickelte er sich schnell zu einer Droge, die in allen Schichten gebräuchlich war. Haftete ihm doch auch der symbolische Charakter des Oppositionellen, nach Veränderung strebenden, des fremden Einflusses an. Gedanken, die heute bei uns in Verbindung mit Cannabis immer wieder geäußert werden.

Wie auch der Alkohol wurde der Tabak hurtig als einträgliche Geldquelle ausgemacht. Obwohl bis Mitte des 19. Jahrhunderts das Rauchen in der Öffentlichkeit verboten war, schien gegen eine Bereicherung aus diesem Laster nichts zu sprechen.

Die Frauen haben übrigens von Anfang an fleißig mit konsumiert, außer beim Zigarrenrauchen, was Anfang dieses Jahrhunderts nur unter Philistern, den kleinlichen Besserwissern, verbreitet war. Sie schnupften am französischen Hof, und mit dem Aufkommen der Zigaretten, die wohl eigentlich eine Resteverwertung der Tabakkrümel bei der Zigarrenproduktion darstellte, entdeckten sie das Rauchen für sich. Wurde dies zur Zeit von George Sand noch als demonstratives Verhalten im Kampf um gleiche Rechte für Frauen betrachtet, so erregt eine rauchende Frau heute keinerlei Aufmerksamkeit mehr für die Sache der Frauen.

Abschließend bleibt zu bemerken, dass Alkohol und Tabak die einzigen Drogen sind, die bei uns eine Geschichte haben und somit Teil unserer Kulturgeschichte sind, kulturfremde Drogen jedoch auf eine unter Umständen unerklärlich starke Ablehnung stoßen.

Anja Spangenberg

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