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Kleidung - unsere zweite Haut

Textilien waren bis vor kurzem aus der Umweltdiskussion ausgeklammert, obwohl sie für alle als zweite Haut die unmittelbare Umwelt sind. Mit Kleidungsstücken werden ohne Rücksicht auf das körperliche Wohlbefinden die aberwitzigsten Mode-Ideen verwirklicht. Bericht von krankmachender Kleidung oder Gift im Kleiderschrank haben die VerbraucherInnen hellhörig werden lassen. Die heile Welt existiert auch bei Naturfasern nicht. Bei ca. 7.000 Chemikalien und ca. 3.500 Textilfarben, die eingesetzt werden, stellt sich die berechtigte Frage, ob nicht ProduzentInnen und KäuferInnen überfordert sind. Die Textilkennzeichnung weist nur auf die Fasern, nicht auf die evtl. vorhandenen Chemikalien hin.

An einem Beispiel möchte ich auf die möglichen Belastungen durch Textilien hinweisen. Das Etikett "100% Baumwolle" zum Beispiel bedeutet im Normalfall: Die Baumwolle wurde mit wasserbelastendem Mineraldünger angebaut, mit Pestiziden besprüht, mit Entlaubungsmitteln geerntet. Die Arbeitskräfte konnten nicht erkennen, daß sie mit Giften umgehen, und Schutzkleidung war für sie nicht vorhanden. Anschließend wurde die Baumwolle mit schwerabbaubaren Schlichtemitteln behandelt, gebleicht mit Chlor, eingefärbt mit krebs- oder allergieerzeugenden Farbstoffen. Nach diesen Prozeduren werden in aller Regel die Abwässer ungeklärt aus den Fabriken gepumpt. Letzter Arbeitsgang ist das Besprühen mit Formaldehyd, damit auf dem langen Schiffstransport aus dem erzeugenden Billiglohnland nach Europa keine Stockflecken entstehen.

Unter Umständen bleiben von allen verwendeten Chemikalien Reststoffe im Textil zurück. An Stellen, wo geschwitzt wird und wo Reibung entsteht, können sie gelöst und vom Körper aufgenommen werden. Noch neu ist die Vermutung, Formaldehyd könnte durch die Körperwärme ausgasen und eingeatmet werden. Angaben wie "bügelfrei", "knitterfrei", "wash and wear", aber auch "separat waschen" oder "Farbe blutet aus" weisen laut Bundesumweltministerium auf kritische Rückstände hin. Festzuhalten ist allerdings, daß Baumwolle die erwünschten Trageeigenschaften, wie Saugfähigkeit und Tragekomfort erst nach dem Abkochen erreicht. Garantiert naturbelassene Baumwolle ist weder gesundheitlich unbedenklich noch empfehlenswert. Hautärzte stellen immer häufiger Kontaktekzeme durch Kleidung fest. Die Textil- und Bekleidungsindustrie blieb nicht untätig. 1992 wurde von einem österreichischen und deutschen Textilprüfungsinstitut das Kennzeichen "Öko-Tex Standard 100" geschaffen.

Es garantiert Grenzwerte für Pestizide, Formaldehyd und Schwermetalle, die weit unter den gegenwärtig zulässigen liegen. Krebs- und allergieauslösende Farbstoffe werden bei den so ausgezeichneten Textilien ebenfalls nicht verwendet. Ähnliche Kriterien werden für das Markenzeichen M.S.T. (Markenzeichen schadstoffgeprüfter Textilien) angewendet.

Beide Zeichen beziehen sich allein auf die gesundheitliche Wirkung des Textils auf den Menschen. Nach Kenntnis der Bremer Baumwollbörse werden nur höchstens 10.000 ha von weltweit fast 33.000.000 ha Anbaufläche ökologisch bewirtschaftet. Ökotextilien machen also nur einen Bruchteil des Sortiments aus. Unverträglichkeiten von Textilien und Umweltbelastungen durch ihre Produktion können nie völlig ausgeschlossen werden. Wer schadstoffgeprüfte und möglichst schonend erzeugte Textilien kauft, senkt das persönliche Risiko und unterstützt Schritte in die richtige Richtung. Der höhere Preis könnte durch längeres Tragen der Kleidung wettgemacht werden. Alles was stark riecht, sollte im Regal oder am Kleiderständer hängen bleiben. Also: Mit der Nase kaufen! Nicht nur Mode, Preis und Pflegeeigenschaften sollten bei der Kleiderwahl eine Rolle spielen, sondern vor allem das körperliche Wohlbefinden.

Ursula Wessling

Literatur zum Thema:

  • Meike Ried, Chemie im Kleiderschrank, Rowohlt-Verlag, 29,80 DM
  • AGV-Broschüre: Hautnah-Textilien, erhältlich bei Verbraucherberatungen für 3,25 DM

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