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MATHILDE

Nur ein Brötchen?

Glosse

Ob ich den Wirtschaftsteil in meiner Zeitung lese?
Nö, warum denn?
Wer den liest?
Woher soll ich denn das wissen? Ich denke mal, Manager, Banker und Börsianer, Leute, die Geld haben und vielleicht - wäre eine echte Hoffnung! - Politiker. Aber ich doch nicht, vielleicht mein Mann oder Freund oder Lebensgefährte.....

Was mich das angeht?
Wenn ich nur ein Brötchen in der Bäckerei nebenan kaufe, bin ich bereits Kosumentin. Soo?!
Ach so, fast wie Abstimmung mit den Füßen. (M)ein Brötchen allein macht es nicht, aber kaufen alle keine Brötchen, wäre das ein echter Einbruch am Markt für Backwaren. Klingt fast schon einleuchtend. Und ich brauche für mein Leben doch mehr als nur ein Brötchen...
Also ich, ein Wirtschaftsfaktor. Noch gar nicht gewusst. Klingt aber irgendwie gut und wichtig.
Und ob ich Kaffee trinke?
Klar doch, jeden Tag.
Ach, und die Preise haben sogar mit dem Wetter in Brasilien zu tun?
Und was gehen mich die Beschlüsse des Zentralbankrats an, der immer diese Zinssätze festsetzt, wie heißen die doch? - ach ja, Diskont- und Lombardsatz.
Ach, sogar der Kredit für mein Auto kann davon tangiert werden? Wie auch alle anderen Konsumentenkredite.
Aber der Dollarkurs muss mich doch nun wirklich nicht interessieren, ich fahre doch dieses Jahr gar nicht nach Amerika...
Was es für Anlagemöglichkeiten gibt? Außer Sparen?
Ach, wegen der Unsicherheit meiner staatlichen Altersversorgung sollte ich mich mal umtun, so, meinst du?!
Und dies hätte, wie auch meine dynamische Lebensversicherung, was mit der heutigen Einkommensentwicklung zu tun? Mit der nominalen oder realen Einkommenshöhe?
Das weiß ich doch nicht. Hm.

Vielleicht sollte ich doch mal nicht gleich den Wirtschaftsteil meiner Tageszeitung großzügig überspringen, das Wirtschaftsmagazin im Fernsehen abschalten, nicht gleich wieder bei der nächsten Party diskret verschwinden, wenn die Herren der Schöpfung wieder über Wirtschaftspolitik reden.
Mich doch mal informieren, mit Freundinnen über Konsumverhalten, über mein Einkommen, über finanzielle Angelegenheiten reden?
Und über das magische Viereck in der Wirtschaftspolitik?! Nun lass sie aber nicht alle heraus...
Wir haben auch so genug Redestoff...
Das wäre eine Chance zur Bewusstseinsveränderung?
Meinst du?

Und das alles nur wegen eines Brötchens....?!

Brigitte May-Hofmann

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