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Hexen hexen - oder?

Hexen haben Konjunktur - sie sind Thema von Talkshows und Büchern: man hört von Liebestränken und nächtlichen Ritualen. Nichts Neues also? Was und wie sind sie denn nun wirklich, die neuen Hexen?

Der Hexenglaube als Religion ist eine Synthese aus modernen Vorstellungen und Anleihen bei vorchristlichen Religionen. Gründe für ihre Entstehung waren vor allem die zweite Frauenbewegung und die wachsende Unzufriedenheit mit den etablierten Religionen. Vor allem die negative Einstellung, die das Christentum zu Frauen allgemein und zu ihrem Körper im besonderen hat, veranlasste viele, sich auf die Suche nach einer neuen Spiritualität zu machen, in der eine ganzheitliche Sicht des Menschen und der Welt möglich ist. Häufig benutzte Quellen sind dabei u.a. altägyptische, keltische, skandinavische, griechische und indianische Mythen. Aus diesen Anfängen entstand in den letzten Jahren eine Religion, die keine zentrale Hierarchie kennt, kein Heiliges Buch, in dem verbindliche Glaubenssätze niedergelegt sind und auch keine fest umschriebene Liturgie. Der Hexenglaube ist sehr individualistisch und es kann im Prinzip jede und jeder eine eigene Tradition gründen. (Allerdings fetzen sich Angehörige unterschiedlicher Traditionen durchaus wegen der Frage, wer denn nun die "richtige" Tradition" vertritt. Bedauerlich). Von den relativ gut organisierten Wicca ( die vor allem im angelsächsischen Raum vertreten sind) über mehr oder weniger locker geführte Gruppen (coven) bis zu den "freifliegenden" Hexen, die keiner festen Gruppe angehören, ist alles zu finden. Die Ausprägungen reichen dabei von traditionell-zeremonieller Magie bis zu stark feministischen Weltanschauungen. Der Begriff "Hexe" (der auch die männliche Form umfasst) ist dabei als Bezeichnung nicht unumstritten. Einige Frauen sind der Ansicht, dass Frauen sich diese Bezeichnung zurückholen und sie von patriarchaler Vereinnahmung befreien sollten. Andere sehen nicht ein, wieso sie sich einen von der Kirche derartig negativ geprägten Begriff überstülpen sollten.

Allen Ausprägungen gemeinsam ist der Glaube an die dreifache Göttin, die mit den Mondphasen identifiziert wird. Ihre Aspekte sind: zunehmend (weiß, Mädchen, Jung-Frau, Freiheit, Wildheit), voll (rot, Mutter, Fruchtbarkeit - auch im geistigen Sinn), abnehmend (die Frau nach der Menopause, zerstörerisch, Weisheit des Alters). Oft wird sie zusammen mit ihrem männlichen Partner verehrt. In vielen vorchristlichen Religionen findet sich das Bild des Gottes, der zyklisch mit dem (Vegetations-) Jahr geboren wird, wächst und stirbt, um dann durch die Göttin wiedergeboren zu werden. Die Göttin dagegen ist ewig. Zentrale Punkte im Hexenglauben sind außerdem der Glaube an Wiedergeburt, an immerwährendes Vergehen und Erneuern und die Vernetzung aller Dinge untereinander. Im täglichen Leben geht es für Hexen nicht darum, das Schicksal zu zwingen oder Macht über andere auszuüben, sondern vielmehr die eigene Kraft zu finden und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Allgemeine Grundsätze sind: "Alles, was du aussendest, kommt dreifach zu dir zurück" und: "Tu was du willst und verletze niemand".

Es gibt im Jahresverlauf acht bedeutende Feste. Vier davon richten sich nach der Sonne: die Sonnwenden im Winter und Sommer (Yul, Litha) sowie die Tag- und Nachtgleichen im Frühling und Herbst (Ostara, Mabon). Thema dieser Feste ist das Wachsen und Zurückgehen des Lichtes. Dazwischen liegen die "Quartalsfeste" am 2. Februar (Lichtmess/Brigid), 1. Mai (Baltane/Walpurgis), 1. August (Lugnasad) und 31. Oktober (Samhain/Halloween). Bei diesen Festen steht das Wachsen und Vergehen der Vegetation im Vordergrund. Viele "coven" und freifliegende Hexen feiern ihre Feste nach Möglichkeit unter freiem Himmel. Als Gaben für die Göttin werden dabei häufig Früchte, Getreide und/oder Wein dargebracht. Als eine auf das Leben gerichtete Religion lehnt der Hexenglauben jegliche Blutopfer ab.

Hexen werden ungerechtfertigterweise oft mit Scharlatanen und Schlimmerem in einen Topf geworfen. Eine "echte" Hexe wird jedoch nicht versprechen, dich in fünf Tagen in die Geheimnisse des Kosmos einzuweihen oder immense Summen verlangen, damit sie Unheil abwendet. Moderne Hexen sind außerdem keine Satanisten. Satanisten erkennen das christliche Weltbild grundsätzlich an, nur kehren sie das Machtverhältnis zwischen Gott und dem Teufel um. Die Gestalt des Teufels als Gottes Gegenspieler ist jedoch ein christliches Konstrukt und existiert in keiner der vorchristlichen Religionen, auf die sich die Hexen heute beziehen. Auch sonst wird Hexen noch alles (un)mögliche nachgesagt. Zum Beispiel hält sich hartnäckig die Vorstellung, dass Hexen bei ihren Ritualen grundsätzlich "sky-clad", d.h. nackt seien. Wie stellen sich die Leute das vor? An Halloween (die Nacht zum 1. November) mitten in der Nacht draußen im Wald - splitterfasernackt?

Zum Abschluss noch einige Anregungen zum An- und Weiterlesen. Bücher von Luisa Francia (z.B. Mond-Tanz-Magie, Zaubergarn, Drachenzeit, Kalypso...) oder "Der Hexenkult" von Starhawk, das nicht nur theoretisch die Religion der Göttin darstellt, sondern auch Einblicke in die Praxis bietet. Für den Einstieg sehr zu empfehlen. And blessed be...

Birgit Köhler

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