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Mein Bauch gehört ...

Schwangerschaft einer gehirntoten Frau

Seit Mitte Oktober wird in der chirurgischen Klinik der Universität Erlangen eine gehirntote 18-jährige Frau künstlich am Leben gehalten, in ihrem Leib ein Fötus von mittlerweile 18 Wochen. Mit dieser Maßnahme wollen die Ärzte das Leben des ungeborenen Kindes retten.

Die Ethik dieses brisanten Themas spaltet die Nation: auf der einen Seite die so genannten Lebensschützer, die für die Erhaltung des Lebens plädieren; die andere Seite spricht von einer Benutzung der Toten als Brutkasten und schlägt vor, das unwürdige Dasein des Leichnams endlich zu beenden und die Maschinen abzuschalten, was zwangsläufig auch den Tod des Fötus zur Folge hätte. Die Anhänger beider Meinungen bringen wieder nur unterschiedliche Argumente für ihre Entscheidung.

Die Lebensschützer und Abreibungsgegner sprechen einerseits von einem Recht des Kindes auf Leben. Stimmen aus dem gleichen Lager weisen darauf hin, dass man die Maschinen ja immer noch abschalten könne, sollte sich im Verlauf der nächsten Monate zeigen, dass der Fötus nicht gesund sei. Womit wir mal wieder beim Abtreibungsthema wären: Ab wann hat das Kind im Mutterleib ein Recht auf Leben, und vor allem: sind kranke Kinder, Föten, Embryos oder was auch immer nicht lebenswert?

Die Opposition spricht von der Benutzung des Körpers als Brutkasten und begründet diese Auffassung einmal mit dem würdelosen Dasein des Leichnams und damit, dass das Kind schon seelisch geschädigt zur Welt käme bzw. überhaupt keine Chance hätte, zu einem normalen Menschen heranzuwachsen. Diese Auffassung wird allerdings von bereits geglückten Experimenten der gleichen Art widerlegt; es existieren bereits mehrere Kinder, die unter ähnlichen Umständen auf die Welt kamen.

Mir persönlich fällt es schwer, mich einer der beiden Haltungen anzuschließen, schon in der Abreibungsfrage konnte ich für mich keine absolute Stellung beziehen. So habe ich mich immer dafür ausgesprochen, jeder Frau allein die Entscheidung zu überlassen, ob sie abtreiben will oder nicht. Diese Entscheidung sollte von keinem Außenstehenden und keinem Gesetz beeinflusst werden, vielmehr geht sie nur die Frau und evtl. den Vater des Kindes etwas an.

In diesem Fall allerdings ist die Klärung der Fronten schwieriger; die 18-jährige Marion hatte sich bereits für das Leben des Kindes entschieden; ihre Eltern haben erklärt, sich um das Kind wie um ein eigenes zu kümmern. Auf der anderen Seite wird Marions Körper benutzt. Wenn er seine Schuldigkeit getan hat, wird er abgeschaltet und darf endlich sterben. Noch grausamer finde ich die Ansicht, dass man die Maschinen ja abschalten könne, wenn sich herausstellen sollte, dass das Kind nicht gesund sei. Für mich beginnt das Leben eines Kindes sofort nach der Zeugung und auch das Leben kranker Menschen ist lebenswert.

Eine andere Frage, die ich mir stelle ist, dass das Kind ohne Apparate zu diesem Zeitpunkt nicht überleben könnte. Warum soll man den natürlichen Gegebenheiten hier ins Handwerk pfuschen? Sollte die Medizin nicht auch ihre Grenzen sehen? Der Tod gehört nun einmal zum Leben, auch wenn er häufig nicht friedlich am Ende eines langen Lebens eintritt, sondern oft ungerecht und schmerzhaft qualvoll ist. Aber ich denke, dass die Entscheidung zu dieser Situation schon gefallen ist. Wer bringt es fertig, die lebenserhaltenden Apparate jetzt noch auszuschalten? Vielmehr bedarf es einer generellen Klärung, ob tote Körper zum "Brüten" benutze werden dürfen oder nicht - ein Grundsatzthema wie Abtreibung und Sterbehilfe. Vermutlich wird man(n) wieder die Entscheidung treffen!

Sabine Schiner

PS: Das Erlanger Baby ist im November gestorben. Dennoch haben wir uns für die Veröffentlichung des Artikels entschlossen, denn das eigentliche Thema "Kindstötung im toten Mutterleib" ja oder nein, bleibt weiterhin aktuell. Vor allem nachdem sich im nachhinein herausgestellt hat, dass Marions Eltern geradezu genötigt wurden, das Vorhaben der Ärzte zu tolerieren und danach zu handeln. Der Sinn einer Lebenserhaltung um jeden Preis, hier in Bezug auf die Schwangerschaft einer Toten, wird somit wieder in Frage gestellt - und bestimmt nicht das letzte Mal.

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