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"Sehen Sie, Fräulein, es gibt zwei Arten von Malerinnen: die einen möchten heiraten und die anderen haben auch kein Talent."
Karikatur aus der Zeitschrift "Simplicissimus", 1901

Künstlerinnen - wo sind sie geblieben

"Es gibt keine großen Künstlerinnen, Frauen sind geistig nicht kreativ und können keine bedeutenden Kunstwerke schaffen" - dies ist eine weit verbreitete Meinung. Ist etwas Wahres daran oder woran liegt es, dass in Gemäldegalerien Frauen zwar sehr häufig als Modell vorkommen, die Werke von Künstlerinnen jedoch rar sind?

Namenlose hinterlassen keine Spur in der Geschichte

Es hat zu allen Zeiten Künstlerinnen gegeben, dies wird erst in unserer Zeit so richtig klar, seit Kunsthistorikerinnen sich mit dem weiblichen Erbe in der Kunst befassen und große Malerinnen der Vergangenheit aus der Vergessenheit holen. Wir wissen so wenig über die Künstlerinnen aus früheren Zeiten, weil Frauen lange Zeit keine eigenen Verträge abschließen durften, so dass ihr Name in keinem Dokument festgehalten wurde. Da Frauen meistens nur dann in einer Künstlerwerkstatt ausgebildet wurden, wenn sie die Tochter eines Malers oder mit einem solchen verheiratet waren, malten sie häufig anonym. Nur wenige Künstlerinnen waren unabhängig und selbstbewusst genug, ein Bild zu signieren.
Die Malerin Sofonisba Anguissola (1535-1625) war zu ihrer Zeit eine berühmte Malerin. Der flämische Maler Anthonis van Dyck hat sie in Palermo besucht, als sie schon sehr alt war und spricht mit großer Anerkennung von ihr. Heute ist ihr Name fast vergessen und viele ihrer Werke wurden und werden großen Malern wie Tintoretto oder Da Vinci zugeschrieben.
Es gab also durchaus Malerinnen vom Range eines Da Vinci. Erst 1893 wurde bekannt, dass das Frans Hals zugeschriebene bekannte Bild "Der fröhliche Zecher" nicht von ihm, sondern von Judith Leyster stammt. Daraufhin gab es für die Bilder von Frans Hals einen Preissturz! Inzwischen ist "man" dazu übergegangen, dieser Künstlerin alle schwächeren Werke von Frans Hals zuzuschreiben! Trotz vieler Meisterwerke aus weiblicher Hand sind die Malerinnen aus früheren Jahrhunderten aus dem Gedächtnis der Menschen verschwunden, weil ihre Namen in der ausschließlich von Männern geschriebenen Kunstgeschichte im Laufe der Jahre nicht mehr erwähnt wurden, so kamen sie auch in keinem wissenschaftlichen Diskurs mehr vor. Die Werke von Frauen wurden kontinuierlich ausgegrenzt und abgewertet. Bis heute ist in diesem Bereich die Gleichberechtigung nicht erreicht worden.

Kunst von Frauen "schön und zart"?

Kant hat den Frauen nur einen "schönen Verstand" zugestanden, im Gegensatz zu dem "tiefen Verstand" der Männer. So wurden Frauen auch in der bildenden Kunst auf das "Schöne und Zarte" begrenzt, gingen sie darüber hinaus und schufen große Werke wie Lavinia Fontana, Angelica Kauffmann, Mary Cassatt, Marie-Guillemine Benoist, Käthe Kollwitz oder Paula Modersohn- Becker (um nur einige große Künstlerinnen zu nennen), so wurden sie dafür als Frauen diskriminiert. Ein Kunstwerk entstand nicht etwa aus dem weiblichen Selbst der Künstlerin, es wurde ihm vielmehr als höchstes Lob eine "männliche" Kraft zugesprochen. Viele Malerinnen waren Meisterinnen im Malen von Miniaturen und so entsteht der Eindruck, dieser Rückzug ins Kleinformatige könnte spezifisch weiblich sein. Sicher war es viel eher das Ergebnis einer Erziehung zur Weiblichkeit, das heißt zur Bescheidenheit und Unterordnung.

Große Formate standen (und stehen?) Frauen nicht zu und es ist sehr gut vorstellbar, dass viele Künstlerinnen sich unbewusst selbst eine Grenze gesetzt haben. Oft war diese Grenze auch der eigene Ehemann, hinter dessen künstlerischer Arbeit eine Frau ihr eigenes Talent zurückstellte, so wie sie zu allen Zeiten zuständig war für Kinder und Familie. Ganz gleich, wie begabt sie auch sein mochte, nach der Heirat hatte der Hauptberuf der Frau Hausfrau und Mutter zu sein.

Kunstakademien - für Frauen lange verboten

Hatten Frauen im Mittelalter in den Klöstern noch einen Freiraum, um in Malerei ausgebildet zu werden, so blieben ihnen die neugegründeten Akademien und Universitäten bis ins 19. Jahrhundert verschlossen. Es entstanden Damenakademien, die viel teurer waren, als die normalen nur den Männern vorbehaltenen Kunstakademien. Aus moralischen Gründen war Frauen auch das Aktstudium verboten, sogar weibliche Aktmodelle waren für Frauen unzulässig. So fehlte den Künstlerinnen ein ganz wichtiges Grundlagenstudium und es ist nicht erstaunlich, dass Frauen aufgrund der mangelnden Anatomiekenntnisse mehr Stilleben und Porträts gemalt haben, als großformatige historische Bilder. Außerdem durften Frauen weder Gehilfen ausbilden, noch eine eigene Werkstatt leiten. Ein deutliches Hindernis, wenn man bedenkt, dass die Tradition der Werkstätten die europäische Malerei sehr stark beeinflusst hat.
Allerdings ist es auch heute noch schwer vorstellbar, dass eine Gruppe von Männern sich bereitfinden würde, in einer Werkstatt die subalternen Arbeiten zu leisten, wenn eine Frau die Kompetenz hätte, im künstlerischen und handwerklichen Bereich die Entscheidungen zu treffen.
Frauen wurde oft nicht zugetraut, dass sie das Kunststudium wirklich ernst meinten, was darauf zurückzuführen war, dass Malerei und Gesang Ende des 19. bis ins 20. Jahrhundert hinein eine beliebte Freizeitbeschäftigung der Frauen des gehobenen Bürgertums war. So gab es viele Dilettantinnen und das Verhältnis der Frau zur Kunst galt als etwas Spielerisches, das nicht ernst zu nehmen war.

Künstlerinnen als "Leichtlohngruppe"?

Bis heute werden die Werke von Frauen weit weniger oft ausgestellt, als die ihrer männlichen Kollegen und immer noch behandelt die Lehre und Forschung an Universitäten weibliche Kunst als "Randphänomen"! Entsprechend schlechter ist auch die finanzielle Situation von Künstlerinnen - das Einkommen von Frauen ist im Schnitt 40 % niedriger, als das von Männern. Vor einigen Jahren führten amerikanisch Feministinnen einen Versuch durch, um festzustellen, warum Künstlerinnen in Galerien so schlecht ankommen. Sie stellten Mappen mit Bildern verschiedener Künstlerinnen zusammen und besuchten damit angesehene Galerien, ohne bei den Geschäftsführern (es sind fast immer Männer) viel Interesse zu finden. Mit denselben Mappen wurden dann Männer losgeschickt und - siehe da - diesmal waren die Geschäftsführer viel entgegenkommender und zeigten Interesse an den Bildern.

Mittelmäßigkeit wird bei Frauen nicht akzeptiert

Stammt ein außergewöhnlich gutes Bild von einer Frau, ruft es Erstaunen hervor. "Von einer Frau, wer hätte das gedacht!" Ist das Bild einer Frau nur mittelmäßig, dann ist klar, "natürlich, Frauen können es eben nicht besser". Malen Männer ein schlechtes Bild, dann sind sie "Menschen, die eben nicht vollkommen sind", sie können sich trotzdem jederzeit auf Da Vinci oder Michelangelo berufen. Bei Frauen sind große Leistungen eigentlich "unweiblich" und "Ausnahmen", die die Regel vom weiblichen Mittelmaß bestätigen, während beim Mann das große Kunstwerk eher als ganz normal angesehen wird. Frauen mussten stets beweisen, dass sie das "auch" können. Dieses ständige Vorurteil über die Minderwertigkeit weiblicher Kunst hat sicher bei vielen Künstlerinnen zu Depressionen geführt. Meret Oppenheim, eine Malerin des 20. Jahrhunderts hat dies so ausgedrückt: "Nicht die Kritik an meinen Werken hat meine lähmenden Selbstzweifel ausgelöst, es war mir vielmehr, als würde die Jahrtausende alte Diskriminierung der Frau auf meinen Schultern lasten, als ein in mir steckendes Gefühl der Minderwertigkeit".

Stellvertretend für zahlreiche große Künstlerinnen möchten wir die folgenden Malerinnen vorstellen, die zu ihren Lebzeiten durchaus bekannt oder sogar berühmt waren und deren Namen heute dennoch fast ganz in Vergessenheit geraten sind.

Barbara Obermüller, Sabine Schiner

Literaturverzeichnis:

  • "Künstlerinnen" von Isabel Schulz, Zweitausendeinsverlag
  • "Die Spuren des Schiffs in den Wellen" von Gisela Breitling, Fischer Verlag
  • "Und ich sehe nichts, nichts als die Malerei" Hrsg. Renate Berger, Fischer Verlag
  • "Hannah Höch", Herausgeber G. Adriani, DuMont Buchverlag, Köln 1980

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